Ich war in meinem Leben noch nicht auf vielen Konzerten. Meistens kann ich sie mir nicht leisten und höre Musik lieber auf CDs.
Eines meiner wenigen Konzerte, und gleichzeitig das beeindruckendste war, als Konstantin Wecker gemeinsam mit Mercedes Sosa im Konzerthaus in Wien aufgetreten ist.
Zwei Menschen mit Idealen, mit Rückgrat, mit Kraft und Mut, mit einer politischen Meinung.
Einer von den beiden ist heute gestorben. Mercedes Sosa.
Tagsüber sammle ich Pilze, Kräuter und Beeren und Holz. Hole Wasser von der nahen Quelle. Spaziere hinauf zur Lichtung und schaue hinab ins Tal.
Abends ziehe ich mich in die Höhle zurück. In meine Höhle.
Davor geht ein schwarzer Panther auf und ab und bewacht den Eingang. Er schmiegt sich an meine Beine und lässt mich hinein. Er ist mein treuer Begleiter, seit vielen Jahren. Er ist all das, was ich so gerne wäre. Schön, stark, stolz, unabhängig. Und jedesmal, wenn ich über sein Fell streiche, schenkt er mir etwas von seiner Schönheit, von seiner Stärke, seinem Stolz, seiner Freiheit.
Aus Tannenzapfen und vertrockneten Zweigen mache ich ein Feuer, später lege ich Buchenholz nach. Ich mag das Lodern, das Brennen, das Glühen, das Feuer in all seinen Schattierungen. Manchmal werfe ich Rosmarinzweige in die Glut und atme den Duft ein. Brate die Pilze oder ein Stück Wild, das der Panther für mich gerissen hat. Esse Beeren und trinke Wasser.
In einer Felsnische habe ich mein Lager, es ist mit Fellen ausgelegt und weich und wohlig warm.
Meistens bin mir selbst genug. Hin und wieder darf jemand mein Lager, meine Nächte und mein Leben mit mir teilen.
Manchmal im Morgengrauen schmiegt der Panther sich an mich und gibt mir Wärme.
In einer anderen Nische sprudelt eine heiße Quelle. Darin bade ich, trete danach nackt und dampfend aus der Höhle und spreche mit dem Mond. Ich habe viele Fragen an ihn. Fragen über den Sinn, die Sehnsucht, die Liebe. Als ich mit meinen Fragen fertig bin, geht er unter. Es ist tröstlich, dass er nichts besser weiß als ich.
Ich bin glücklich in meiner Höhle. Ich habe keine Angst. Ich habe nichts zu verlieren.
Trotzdem flüchte ich mich immer wieder hinaus ins laute, lärmende Leben. In ein Leben, in dem ich mich klein, überfordert, unzulänglich fühle. In dem ich ständig suche. Noch mehr Glück suche, noch mehr Kraft, noch mehr Stolz. Aber davon finde ich da draußen nur Bruchstücke. Die sammle ich ein, für die stillen, zufriedenen Abende in meiner Höhle.
„Ich muss noch mal hinaus“, sage ich zum Panther, „mir fehlen noch ein paar Stücke, bis das Bild vollständig ist.“ Er weicht zur Seite und schweigt. Wie der Mond.
C. macht grad eine Ausbildung, C. macht - wie in der ersten Folge von Sex & the Country bereits erwähnt - ständig eine Ausbildung, meistens für Berufe, in denen sie aufgrund von körperlichen Mängeln wie Kurzsichtigkeit oder chronischen Rückenschmerzen nicht arbeiten kann. Aber das macht nichts, denn danach lässt sie sich einfach vom Arbeitsamt umschulen.
Diesmal zum Beispiel zur Altenpflegerin. In die Lebens- und Gedankenwelt von alten Menschen kann sie sich gut einfühlen, denn ihre Patienten und Patientinnen sind – wie sie – fast blind und leiden unter chronischen Kopf-, Rücken- und sonstigen Schmerzen. Beste Voraussetzungen also.
Diese Woche macht C. ein Praktikum.
„Guten Tag, Frau Friedrich“, sagt sie. „Sie haben doch nichts dagegen, dass ich Sie für heute ein bisschen schön mache?“
Frau Friedrich hat nichts dagegen, deshalb beginnt C. behutsam, ihr schütteres Haar zu bürsten und daraus einen Zopf zu flechten. „Sie sind ja ganz blass“, stellt sie fest und greift zu Make-up und Rouge, „ich werde Sie schminken, damit die Kinder zufrieden sind.“ Sogar, Wimperntusche, Lippenstift und türkisblauen Lidschatten trägt sie auf, es ist schließlich ein besonderer Tag.
Wahrscheinlich wird die Tochter trotzdem meckern, denkt C., und ein paar Krokodilstränen vergießen, aber das sagt sie nicht laut, obwohl sie natürlich weiß, dass Frau Friedrich sie nicht hören kann. Und der Sohn – ein arbeitsloser Herr Doktor der Philosophie – wartet bestimmt schon auf das Zahngold, denkt sie weiter.
C. wäscht Frau Friedrichs zerfurchten Körper und rasiert ihr die Achselhaare und Beine. Darauf hat die alte Dame immer viel Wert gelegt.
Sie schneidet ihr die Finger- und Zehennägel und zieht ihr ein dunkelrotes Samtkleid über den Kopf. „Oh. Entschuldigung“, murmelt C., als sie bemerkt, dass sie die Frau etwas unsanft angefasst hat. Sie lächelt, „so machen Sie sich doch nicht gar so steif.“ Frau Friedrich schweigt.
„Herr Rudi?“, fragt sie Ihren Vorgesetzten, „könnten Sie mir vielleicht beim Umbetten helfen. Ich schaff das nicht alleine, wegen dem Kreuz.“
Herr Rudi hilft, trotzdem stößt C. mit dem Ellbogen gegen das schwere Möbelstück. „Au! Scheiße“, vergisst sie die anderen Anwesenden und die guten Manieren und lässt Frau Friedrich beinahe fallen.
„Birnenholz“, sagt Herr Rudi in einer Mischung aus Mitleid für C. und Bewunderung für den Sarg, „ein ziemlich hartes Holz. Und ziemlich teuer.“
Die Anarchistin in C. kriecht aus ihren Schlupflöchern. „Scheiß reiches Pack, verdammtes. Als ob es ein Fichtensarg zum Verbrennen nicht getan hätte.“
Herr Rudi nickt verständnisvoll. „Sicher“, sagt er, „ist aber gut fürs Geschäft.“
Schweigend arbeiten sie weiter. C. legt der Toten den Schmuck um und eine riesige Sonnenblume in die Hände. Die Lieblingsblume von Frau Friedrich, das weiß sie aus dem Heim.
„Wissen Sie, was mich beruhigt, Herr Rudi?“
„Nein.“ Herr Rudi ist kein Schwätzer. Das mag C. so an ihm.
„Dass im Tod alle gleich sind. Zumindest gleich blass, gleich steif und gleich tot. Trotz Birnensarg und kiloweise Gold im Mund.“
C. gefällt es an ihrer Praktikumsstelle. Sie mag die Menschen dort, den Frieden im Gesicht des lebendigen Herrn Rudi und den im Gesicht der toten Leichen. (Nun gut, der Alkoholiker, den man erst nach vierzehn sommerlich-heißen Tagen gefunden hatte, der roch nicht mehr so gut und auch der Friede war ihm abhandegekommen.)
Sie mag die Stille, die würdevolle Atmosphäre und die Achtung, die man den Toten entgegenbringt. Auch die Tatsache, dass die nicht schreien und fluchen, wenn sie gekämmt und gepflegt werden. Die einzige, die hier hin und wieder flucht, ist sie selbst.
Wenn Sie die Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen hat, wird sie sich umschulen lassen. Sie weiß auch schon, wozu. Zur Bestattungsunternehmerin.
„Stell dir vor, ich bin geflogen“, sagt B. zu C.
„Scheiße.“ C. zieht an der Zigarette. „Hast du Geld unterschlagen? Hat es sich wenigstens gelohnt?“ Sie hält die Hand auf.
„Nicht so geflogen. Ich bin ja noch im Urlaub. Da kann man kein Geld unterschlagen. Richtig geflogen. Ich hab das Weinviertel von oben gesehen, voll idyllisch. Den Hofer, das Kalkwerk, mein Auto, meinen Garten mit den Holzhaufen.“
„Ich träum auch öfter vom Fliegen. Ist geil, oder?“
Rückblende:
„Hast du Lust zu fliegen?“, fragt Ch.
„Au ja. West Samoa?“
„Na ja, ich dachte eher an Stockerau“, macht Ch. die große Seifenblase kaputt und bläst eine neue, kleinere. „Weißt du, der Typ mit dem Mercedes, er bumst nicht nur gut, er hat auch einen Pilotenschein. Und er lädt uns zum Fliegen ein.“
„Bist du sicher, dass er Fliegen nicht mit Vögeln verwechselt? Weil Vögel fliegen ja..."
"Also, fliegst du mit?"
"Nur, wenn ihr versprecht, im Flieger nicht zu vögeln.“
B. verkleidet sich auf mondän, ganz in weiß und schminkt sich. „Ich will wenigstens im Tod so richtig schön sein.“ Ihren Sohn, der überhaupt noch nie geflogen ist, nimmt sie mit.
Der Mercedes hält vor dem Häuschen. Die Beifahrerseite ist völlig zerkratzt. In B. regt sich ehrliches Mitleid. Zum Glück hat ihren Lupo niemand so zugerichtet. „Oh je. Wann ist das denn passiert?“
„Vor zehn Wochen“, sagt der Mercedes-Fahrer und tröstet B., "es ist nur ein Auto." Er trägt Jeans. Anscheinend ist ihm nicht wichtig, dass er im Tod so richtig gut aussieht.
B. rechnet nach. Shit. Anfang Juni war C. da. Und C. liebt die Anarchie und hasst scheißprotzige Autos. Sie hasst auch Manolo Blahniks, wie die anderen Frauen aus Sex and the Country, die beschlossen haben zu verachten, was sie sich selbst nicht leisten können.
„Ist der Stern noch dran?“, fragt B.
„Ja.“
Sie atmet auf. Dann war es also nicht ihre Freundin C. Die hätte den Stern niemals drangelassen.
„Oh, wir fliegen mit einer Cessna?“ B. tut, als würde sie sich auskennen, als sie vor dem kleinen Flieger stehen. In Wahrheit ist die Cessna das einzige Flugzeug, das sie beim Namen kennt. Beinahe, denn sie verrät ihre Unwissenheit, indem sie Cessna wie Tschesna ausspricht anstatt wie es sich gehört Tsesna.
Ch. schweigt nobel, ebenfalls in Weiß, und zündet sich vor dem Einsteigen eine Zigarette an.
Es explodiert.
Oder besser: Er explodiert. Der Mercedesfahrer.
Trotzdem hebt er mit ihnen ab, schließlich stehen die Frauen aus Sex and the Country für die gelungenen Mischung aus Horror und Humor, Spaß und Schrecken, Leid und Leidenschaft. Und schließlich will er mit einer von ihnen - der neben ihm - heute noch vögeln. Im Mercedes, vielleicht.
Unter B. das malerische Weinviertel. Neben ihr der kotzende Sohn, der lieber in einem der Mähdrescher da unten säße.
B. blickt neidisch auf die vielen Swimmingpools in ihrem Ort. „Unglaublich“, schnaubt sie, „sogar die Schmieds, die Maiers und die Müllers haben eins. Nur wir haben keins.“ B. hasst protzige Swimmingpools, selbstverständlich.
Der Mercedesfahrer hält die Knüppel der Maschine und freut sich am Fliegen. Ch. hält den Mund und freut sich auf seinen Knüppel. Der sohn hält den Kopf in die Tüte und freut sich auf festen Boden unter seinen Füßen. B. hält die Kotztüte und freut sich am Leben.
Unter ihnen Burgen und Schlösser mit Burghöfen und Schlossgärten. „Kotz da hinunter“, sagt die B. zu ihrem Sohn, „die gehören den Reichen und Mächtigen.“
„Was tun wir eigentlich, wenn wir uns verirren?“ B. ist besorgt. Die Kotztüten neigen sich dem Ende. Hoffentlich der Mageninhalt des Sohnes auch.
„Entweder die Raiffeisen- oder die Billa-Methode“, sagt der Cessna-Flieger-Mercedes-Fahrer trocken.
„Und die wäre?“
Bei der Raiffeisenmethode fliegen wir runter zum nächsten Lagerhaus und schauen, was draufsteht.“ Beim Wort Lagerhaus blickt der Sohn kurz auf, widmet sich dann aber wieder seiner Hauptaufgabe des Fluges.
„Und bei der Billa-Methode?“
„Da fliegen wir noch ein bisschen tiefer und schauen, was auf den Billa-Sackerln steht.“
B. ist nicht wirklich beruhigt.
„Schau“, tröstet der Pilot sie und telefoniert zum wiederholten Mal mit Charly. Charly dürfte sein Freund sein. „Es gibt schlechte Landungen, gute und sehr gute. Bei der schlechten überlebt niemand, bei der guten kommen die Insassen mit dem Schrecken davon und bei der sehr guten kann man die Maschine noch einmal fliegen.“
Ich hab schlecht geträumt, gut gelacht, geredet, gelesen - laut und leise, Kärntner Nudeln gegessen, Prosecco getrunken, eine Rede geschrieben, meine Freundinnen nahe gehabt, liebenswerte Menschen kennengelernt, die Sorgen im Tal gelassen, von der Welt nichts mitgekriegt, das Leben geliebt...
Ich war glücklich. Ich will es bleiben. Und ich vertraue gelassen darauf, dass das, was immer die Zukunft für mich bereithält, das richtige ist.
There is no way to happiness. Happiness is the way.
(Buddha)
Diese Werke, die ich in der Woche gefertigt habe, haben auch zu meinem Glück beigetragen.
Die beiden Herren im Casino lassen die Jetons in ihren Händen klappern. „Alles auf Rot?“
„Auf Rot? Spinnst du? Doch nicht auf Rot!“
„Na gut, dann halt auf Schwarz.“ Der Gebrauchtwagenhändler häuft das Spielgeld auf das Feld mit der Aufschrift Rouge.
„Ich glaub, Rouge heißt Rot. Denk ans Moulin Rouge.“ Der Kleine schiebt alles auf Noir. „So. Jetzt ist es richtig.“
Die Kugel rollt.
„Rien ne va plus.“
„Was hat er gesagt?“, fragt der ehemalige Autoverkäufer.
„Nichts geht mehr.“
„Ja, das stimmt. Aber alles ist möglich.“ Er reibt sich die Hände und wischt unsichtbaren Staub von seinem Schlips mit den Glitzersteinchen.
„Kein Wort davon zu den Anderen und zur Presse“, warnt der Kurze. „Die kommen uns sonst wieder mit Moral und so.“
„Moral?“ Derm dauergrinsenden Autoverkäufer friert kurz sein Grinsen ein, „was ist das schon wieder für ein Fremdwort?“
„Vergiss es“, winkt der Kurze ab. „Wir vermehren die Kohle jetzt. Stell dir vor, die Roten wollten das Geld erst investieren, in Gesundheit und Bildung.“ Er schüttelt fassungslos den Kopf.
„In Bildung? Man kann doch auch ohne Bildung was werden. Durch Arschkriechen zum Beispiel. Oder Heirat.“ Der Gebrauchtwagenhändler spricht aus Erfahrung.
Die Kugel rollt.
„23, rouge, impair, passe“, vermeldet der Croupier.
Der Grinsende grinst wieder. „Super. Passt!“
„Du Schwachkopf“, schimpft der Kurze jetzt und schwitzt. „Rouge heißt Rot und wir haben alles auf Schwarz gesetzt. Wir haben alles in den Sand gesetzt.“
„Na und?“, klopft der Lange ihm tröstend auf die Schulter, schaut auf seine Rolex und greift nach dem Champagnerglas. „War ja eh nicht unser Geld. Wir haben uns halt ein bisserl verspekuliert. Bis die draufkommen, sind wir längst mit Julius über alle sieben Meere.“
Bis zwei Uhr früh haben wir heut nacht gefeiert. 70 Leute (darunter viele Kinder) in seltsamen Kostümen sind extra angereist - zum Teil aus dem heiligen Land Tirol - und haben das Geburtstagskind hochleben lassen. Wir - also die Kinder und Kindeskinder des Geburtstagskindes haben es auch hochfliegen lassen, wir haben ihm nämlich einen Urlaub inklusive einer Fahrt im Heißluftballon geschenkt.
Er hat uns nicht nur das Leben, sondern gestern ein (be)rauschendes Fest geschenkt. Und ich ihm unter anderem diesen Text. Ich schwöre, ich habe eine Träne in seinen Augenwinkeln gesehen.
Lieber Papa,
„Das ist wirklich das Letzte“, hast du oft gesagt und nicht mich gemeint, sondern nur das Badezimmer, das du mir installiert hast. „Weißt du, dafür bin ich jetzt zu alt.“
Zum Glück kam nach dem letzten Mal immer ein allerletztes und danach ein allerallerletztes Mal. Tut mir leid, dass ich so oft übersiedelt bin, ich wollte nur nicht, dass du aus der Übung kommst, für das Allerallerallerallerletzte Badezimmer.
Wenn dich jemand fragt, wie alt du bist, sagst du seit Jahrzehnten „Siebzehn“. Deine Enkelkinder haben dich zum Teil schon überholt.
Hoffentlich versteht nicht irgendwann einmal jemand irrtümlich „siebzig“. Das wäre nämlich total peinlich.
A propos peinlich. Wenn ich ganz ehrlich bin, warst du mir in meiner Jugend manchmal ein klitzekleinesbisschen peinlich. (Damals wusste ich natürlich noch nicht, dass es zu den Hauptaufgaben von Eltern gehört, peinlich zu sein.) Zum Beispiel, als du für die Schule einen Fragebogen über Krankheiten in der Familie ausfüllen hättest sollen und quer drübergeschrieben hast: „Das geht Sie einen Scheißdreck an!“ Puh, hab ich mich geschämt. Heute finde ich ja, dass das ziemlich cool von dir war. So cool wie die rote Jeans und das Flinserl, dass du dir zu deinem 50er stechen lassen hast. Ja, so etwas trägt man mit siebzehn.
Ich hab viel geerbt von dir, Papa. Nein, ich spreche jetzt nicht von der Drittel Garage, die vielleicht einmal in meinen Besitz übergehen wird. Übrigens, hat jemand hier Verwendung für eine Drittel Garage? Na ja, mein Lupo würde vermutlich ganz ins Stüberl passen. Vermutlich sogar ganz in den Kamin.
Ich spreche nicht von irdischen Gütern, sondern von Charaktereigenschaften, Talenten, und so weiter, alles was einen halt nicht wirklich weiterbringt im Leben.
Du hast die Bühne immer geliebt und hast jahrelang das Wunschkonzert moderiert. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert, das wissen wir alle, und lässt sich manchmal nichts dreinquatschen. Jetzt unterhältst du die Menschen mit deiner Steirischen Harmonika.
Ich hab auch was von einer kleinen Rampensau in mir und genieße Scheinwerferlicht und Applaus. Das Singen überlass ich trotzdem meiner Schwester und ihrer Familie. Ich kann nämlich nicht singen, wie du weißt. Obwohl in der Schule einmal ein Lehrer gemeint hat: „Jeder kann singen.“ Also hab ich gesungen, damals. „Na ja, fast jeder“, hat der Lehrer mich unterbrochen und sich korrigiert.
Wie auch immer, was ich eigentlich sagen wollte: diese Gabe, mit dem was wir lieben und können, Menschen zu unterhalten und zu berühren, die teilen wir. Nicht nur wir beide, sondern auch ein Großteil deiner Enkelkinder. Nur dein Enkelsohn sitzt lieber im Führerhaus eines Traktors, als auf der Bühne zu stehen.
Was ich noch geerbt hab von dir? Deinen Stolz und deinen scharfen Verstand (wir wären ein unschlagbares Team bei der Millionenshow – allein hab ich es ja – Danke, Schneewittchen – nicht mal in die Mitte geschafft). Deine Liebe zur Natur hab ich geerbt, und deine Sturheit, die du abstreitest, da bist du stur. Danke herzlichst.
Ein paar Dinge aber haben – zum Glück für mich und zum Leidwesen für die Menschheit – mich einfach übersprungen. Dein Hang zur Perfektion, deine Ordnung und Sauberkeit. Als der liebe Gott oder wer auch immer da oben sie mir umhängen wollte, ist er gestolpert, er scheint ähnlich ungeschickt wie ich. Alles hat er daneben gekippt. Auch bei deinen Enkelkindern sind diese Talente sehr ungerecht verteilt.
Ich hab nicht nur viel von dir geerbt, sondern auch viel von dir gelernt. Schnapsen, Tarockieren, leidenschaftlich politisieren und diskutieren, und noch leidenschaftlicher fluchen. Du hast nicht „Schade, dass der Wind jetzt eine Spur zu heftig weht zum Surfen“ gesagt, nein. „Do wort ma stundenlang auf den Scheiß-Hurenwind und dann prügelt er so verdammt, dass ma eam net dablost.“
Du warst und bist nicht nur ein wunderbarer Vater, sondern ein sensationeller Berg- und Baumsteiger. Wagemutig, mit Kletterausrüstung und Motorsäge, aber ohne Sauerstoffgerät bezwingst du die höchsten Gipfel der Birnbäume vom alpinen Weinviertel bis zum hochalpinen Südburgenland.
Vor allem aber bist du ein großartiger Großvater. Ganz vernarrt hast du mir die Brut aus der Hand gerissen – zum Glück - und dich um sie gekümmert, sie gebadet und gewindelt.
Ich weiß ja noch immer nicht, was schön daran sein soll, angeschissene Kleinkinder zu wickeln, aber ich muss ja nicht alles wissen.
Von dir haben deine Enkelkinder Evergreens wie die Ennstaler-Polka und aktuelle Pop-Hits wie „Lieserl, kum her“ gelernt, sie haben vor dem Kussräuber und Popsch-Kunibert gezittert, deinen Geschichten von den Kasermandln gelauscht und du hast es damit sogar geschafft, dass sie weiter als bis zum Bäcker gehen. Wir wussten gar nicht, dass sie dazu in der Lage sind.
Es ist aber nicht so, dass nur du für deine Familie Opfer bringst. (Obwohl du uns nie das Gefühl vermittelt hast, dass du dich aufgeopfert hast). Auch ich bin deinetwegen über meinen Schatten gesprungen und habe etwas völlig Verrücktes getan, nur für dich. Etwas, das niemand von mir erwartet hat, am allerwenigsten ich. Ich hab mir dieses seltsame Kleid gekauft und mich für dich volkstümlich kostümiert. „Möchten Sie ein Dirndl?“, hat die Verkäuferin gefragt. „Nein“, hab ich gesagt, „möchten tu ich keins. Aber ich kauf trotzdem eins.“ Was tut frau nicht alles aus Liebe?
Für anständige Schuhe hat das Geld leider nicht gereicht.
Was ich neben all den aufgezählten Dingen am meisten an dir liebe? Deinen unerschütterlicher Optimismus und deine Lebensfreude, auch wenn das Leben es manchmal gar nicht gut gemeint hat mit dir. Die bedingungslose Liebe zu deinen Kindern und deinen Enkelkindern. Und zum Leben.
Herzlichen Glückwunsch zu deinem 17. Geburtstag, Papa. Und alles Gute für die nächsten 17 Jahre.