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Sonntag, 12. Juli 2009

Sommerloch?

Samstag, 11. Juli 2009

Laudatio - Laudatia? - Laudationes?

Zwei meiner allerliebsten Freundinnen haben heute Geburtstag. Zwei, die entgegensätzlicher nicht sein können. Zwei, die mir total wichtig sind.



Liebe Ch., unerschöpflicher Quell meiner Inspiration,


Neunundvierzig bist du heute. 49 ist besser als 48. Nummer 48 ist nämlich auf der Speisekarte meines Lieblingschinesen: Schweinefleisch süß-sauer nach Art des Hauses, mäßig scharf.
Du bist weder Schwein, noch süß-sauer, noch nach Art irgendeines Hauses, und schon gar nicht mäßig scharf.

Du bist Nummer 49: Verrücktes Huhn, nach einziger Art, exotisch, teuflisch scharf. Ideal zum Anbraten.

Wenn es dich nicht gäbe in meinem Leben, worüber würde ich dann schreiben? Über Strickmuster für Häkeldeckchen, idyllische Familien mit idyllischen Hunden und idyllischen Picknickkörben im Grünen? Ich weiß es nicht, ich hab keine Erfahrung damit, denn mein Schreiben war und ist immer untrennbar mit dir verbunden.
Weißt du noch, die erste tollpatschige Lesung in deinem Atelier? Der CD-Player ist hängen geblieben, die Texte waren unausgefeilt, meine Stimme war zittrig. Und trotzdem. Du hast immer an mich geglaubt, hast mich ermutigt, weiterzumachen. Auch dann, wenn dir selbst – zum Glück immer nur vorübergehend - der Mut ausging.

Ich kann eine Menge von dir lernen, Ch. Zum Beispiel, ohne schlechtes Gewissen mit wehenden Haaren eine Stunde zu spät hereinzuflattern und trotzdem in aller Seelenruhe eine Zigarette zu rauchen. Mit einem lauten Lachen und der Gewissheit, dass niemand dir ernsthaft böse ist.

Aber auch deine Verlässlichkeit, wenn es wirklich darauf ankommt.

Selbst, wenn es dir selber noch so dreckig geht und du dich in deinem Schlamm aus Leid, Trauer und Selbstmitleid suhlst, hörst du den anderen zu. Bist wirklich interessiert an den Menschen und ihren Schicksalen. Was ich noch so liebe an dir ist deine Großzügigkeit. Hast selber nichts und teilst mit offenen Armen und noch offenerem Herzen aus. Aber auch die Tatsache, dass du um Hilfe bitten und diese auch annehmen kannst.


Manchmal ist es nicht auszuhalten mit dir. Aber ohne dich ist es schon gar nicht auszuhalten. Meinem Leben würde etwas fehlen. Dein Lachen. Dein Weinen. Deine Kreativität. Deine hysterischen Anrufe um Mitternacht. Deine chAOtisCHen groß-KLEIN-geSCHRIEBenen MAILs. Deine Beinahe-Freundschaft mit dem Gerichtsvollzieher. Deine Angewohnheit, nach jedem Schluck Weißwein mit Eiswürfeln den Lippenstift nachzuziehen. Der scheint dein Grundnahrungsmittel zu sein (also sowohl Lippenstift als auch Weißewein). Deine Disziplin. Deine Disziplinlosigkeit.

Du würdest meinem Leben fehlen.


Deine B.



Liebe I., treue Freundin

von all meinen Freundinnen bist du die, die mich schon am längsten aushält. Und meine beste. Und die, die am andersten ist als ich.
„Babsi, tu’s nicht“, hast du damals gesagt, Abend für Abend, bei all den verdammt gut aussehenden griechischen Göttern, die ich aufgerissen hab. Und gleichzeitig gewusst, dass das Meer deine Worte verschluckt und auf dem Meeresgrund wieder ausspuckt. All die Muscheln und Meerestiere werden sich schön gewundert haben über die vielen „Babsi-tu’s-nicht“ da unten.
Irgendwann ist es aus dem „Babsi, tu’s nicht“ ein „Babsi, tu’s wenigstens du und erzähl mir drüber“ geworden. Daran hab ich mich dann gehalten. Daran halte ich mich immer noch.
Wenn ich launig erzähle, dass ich meinen Mann im Gefängnis und meine beste Freundin auf dem Jungbläserseminar kennengelernt hab, schauen die Leute ungbläubig, dabei ist das die Wahrheit. Obwohl ich ja die Wahrheit für eine gute Geschichte oft ein bisschen zurechtbiege.
„Warum ist die I. eigentlich deine beste Freundin?“, hat meine Tochter mich kürzlich gefragt, „ihr habt doch überhaupt nichts gemeinsam.“
„Warum ist der Himmel blau?“, hab ich geantwortet, „es ist wie es ist“.

Und nein, du bist nicht deshalb meine beste Freundin, weil du mir nie die Show stiehlst wie viele meiner anderen Freundinnen, ganz bestimmt nicht.
Vielleicht, weil du genau das hast, was mir im Leben fehlt. Ernsthaftigkeit, Disziplin (niemals hätte ich es je geschafft, auf einen Cocktail mit dir zu verzichten, weil ich noch etwas vorbereiten muss), ein Gewissen, das zur richtigen (oder falschen?) Zeit STOPP schreit, Rüschenblusen und knielange Röcke mit Blümchen drauf.
Vielleicht, weil du bist, ohne scheinen zu müssen, weil dir dieser Drang, aufzufallen, im Mittelpunkt zu stehen, bewundert zu werden, fast völlig fehlt. Wie schaffst du das eigentlich, verdammt noch mal?
Als Gott, an den ich seit unserem gemeinsamen dornenreichen Jahr im Opus-Dei-Studentinnenheim für höhere Töchter ohnehin nicht mehr glaube, diesen Drang verteilt hat, ist er gestolpert (er ist ähnlich ungeschickt wie ich) und hat irrtümlich alles über mich gekippt. Vielleicht bist du meine beste Freundin, weil du nie meinen Geburtstag vergisst, ich deinen aber ständig. Ha! Diesmal nicht.

Du hast die Lust niemals zu deinem Lebensprinzip erhoben, die Cocktails trinkst du am liebsten alkoholfrei, beim Essen schlägst du nicht über die Stränge, und du würdest dir nie teuren Schmuck oder geile Klamotten kaufen, wenn dein Konto überzogen ist. Deshalb ist ja immer nur meins überzogen. Ach, hätte ich doch ein bisschen von deiner Bescheidenheit. „Bitte kein Geburtstagsgeschenk“, sagst du, „ich hab eh viel zu viel und versuche, die Dinge loszuwerden“, während mir am liebsten Gäste sind, die meine Eingangstür eintreten, weil sie beide Hände voller Geschenke haben. Ich beneide dich auch um deine Vernunft. Niemals wirst du am Morgen fluchend in die Tomatenstauden kotzen, weil du dich am Abend sinnlos besoffen und überfressen hast, weil es halt so lustig war.

Aber solltest du mal in die Verlegeheit kommen, etwas völlig Verrücktes zu tun in deinem Leben, zum Beispiel zehn Minuten zu spät zur Arbeit zu kommen, weil im Fernsehen deine Lieblingsserie läuft, oder in der Cocktail-Bar einen Long Island Iced Tea zu bestellen, ich werde sagen: „I., tu’s“. Aber ich weiß schon jetzt, dass du niemals in Verlegenheit kommen wirst.

Ja, viel haben wir nicht gemeinsam. Nur unsere Freundschaft. Und die ist mehr wert als alles andere.


Deine B.

Samstag, 4. Juli 2009

Ha!

Im Weinviertel wächst ja nicht nur Wein.



Hab ich schon erwähnt, dass ich das Leben liebe?
Manchmal glaub ich sogar, dass das Leben meine Liebe erwidert.

Donnerstag, 2. Juli 2009

Nie mehr Schule und allerhand

Marilies stopfte die Hefte in die Tasche. „Schule ist scheiße. Ich geh da nicht mehr hin.“
„Ich auch nicht“, schloss Paul sich ihrer Meinung an, knüllte die Einladung fürs Schulabschlussfest zusammen und warf es Roland an den Kopf.
Der blickte erstaunt auf, fuhr sich durchs Haar und rückte seine Brille zurecht. „So ein Quatsch. Was wollt ihr denn stattdessen tun?“
„Weiß nicht“. Marilies ignorierte das Rauchverbot, das im gesamten Schulgebäude galt und zündete sich eine Gauloise an.
„Ich auch nicht.“ Paul trank Dosenbier. Hoffentlich erwischte der Direktor ihn nicht wieder dabei. Der verstand irgendwie überhaupt keinen Spaß.
Marilies waren in der Zwischenzeit ein paar Alternativen eingefallen: „Fernsehen, Chillen, Shoppen, Chatten. So Sachen halt.“
Das klang gut, fand Paul. Gut und stressfrei. „Genau. Ich auch.“
Roland zögerte etwas, doch dann fand er Gefallen an Marilies Ideen. „Wenn ich es so recht überlege, ich auch. Das klingt geil.“
„Nie mehr Schuuule“, grölten die drei in der Aula, „keine Schu-u-le-ee meeeehr“.

Der Direktor stürmte erschrocken auf sie zu. „Aber meine Herren und Dame Kollegen“, mahnte er, „ich kann Sie ja verstehen. Auch ich habe die Schule satt. Aber muss das sein, so kurz vor Ihrer Pensionierung? Denken Sie doch bitte an die Vorbildwirkung Ihren Schülern gegenüber.“


-*-


Das Leben fühlt sich irgendwie so lebendig an. Dank meiner durchgeknallten Familie. Dank M, mit der ich mehr Zeit als mit meiner Familie verbringe und die längst mehr Freundin als Kollegin ist. Dank der Katzenbabys, die die Katzenmama gestern nacht in die Schublade mit meinen Badeanzügen umgesiedelt hat. Die allerliebst und blauäugig sind. Dank C, zu der ich bald auf Urlaub fahre und mit der ich Wodka trinke, weil sie keinen Alkohol verträgt. Dank Elfriede, die mir heute ein langes Mail geschickt hat, das mich zu Tränen rührt. Dank der Vögel, die draußen zwitschern. Dank D, mit der ich die Sitzung heil überstanden habe und mit der ich ein paar doppelte Tequila gezwitschert habe, die ich nicht bezahlen konnte. Dank dem Wirten, dem ich gesagt habe, das zahlt dir mein Mann dann beim Pokern. Dank der Erdäpfel im Garten, die in den Himmel wachsen und wunderschön blühen. Dank dem Leben, das es mir nie einfach, aber auch selten langweilig macht.

Ich liebe dich, Leben. Meistens. Manchmal. Vielleicht.

Montag, 29. Juni 2009

Sex and the Country 3

„Du hast vergessen, den Slip anzuziehen“, sagt B. zu Ch., die sich nervös auf ein Date vorbereitet und wie ein Mantra vor sich hersagt: Ich verliebe mich nicht. Ich verliebe mich nicht. Nicht beim Ficken. Auch sonst nicht.
„Und ungeschminkt bist du auch noch.“
„Schminken brauch ich mich heute nicht, der Typ nimmt beim Küssen immer die Brille ab und da sieht er mich ohnehin nur verschwommen und verschmiert mir den billigen Lippenstift“.
„Verstehe“, versteht B. „Außerdem kannst du dann vielleicht mit dem Geld, das du bei der Unterwäsche und beim Make-up sparst, die Telefonrechnung zahlen.“
„Schau ich cool aus?“, will Ch. wissen, „cool und souverän? Wie eine Frau, die sich beim Ficken nicht verliebt?“
„Sicher. In etwa so cool wie ein tropischer Sommerregen.“

Ich empfinde nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht. Ich fühle nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht ihn, murmelt Ch. auf dem Weg zu seinem Mercedes. Noch weiß sie nicht, in welche Schublade sie ihn stecken soll. Bindungsängste? Eine verflochtene Mutterbeziehung? Hochstapler? Macho?
Mehrfachantworten möglich.

„Vorne oder hinten?“, fragt er vor der Kür, nachdem sie die Pflicht (ein Loblied auf den romantischen Sonnenuntergang, den schönen Ausblick – noch trägt er die Brille - und die fruchtbaren Weinreben) hinter sich gebracht haben.
„Vielleicht erst mal ganz normal von vorne“, grinst sie und klettert nach hinten.

Ich bin nicht verliebt, murmelt sie zwischen den brillenlosen Küssen. Kein bisschen bin ich verliebt. Ich will dich nicht binden.
Wilde Küsse, verschlungene und verdrehte Beine, Anfangsschwierigkeiten. Kichern. Stöhnen.
Und schließlich – weil die Drama Queen das Drama liebt - die Katastrophe.

Socken. Er hat die Socken angelassen. „Ich hasse Männer mit Socken im Bett“, kreischt sie und wird ohnmächtig.
„Das ist ein Mercedes“, korrigiert er und schüttelt den Kopf, „kein Bett.“



*

Viele feine Damen. Viele feine Cocktails. Feine Häppchen. Alles gratis. Mittendrin B., wie ein Kürbis, der sich in einem Erdbeerfeld verirrt hat. Sie stopft sich ein paar Brötchen in die Handtasche, für die Kinder.
„Caipirinha, Tequila Sunrise, Pina Colada?“
B. nimmt dem hübschen Ober das schwere Tablett ab. „Ja. Ich nehm sie alle drei.“

„Kennen wir uns nicht von der Golf-Charity“, beginnt eine der seidenen Damen das schmale Gespräch. Die Damen sind nicht nur fein, sie sind auch gut.
B. sieht zwar den aufgelegten Elfmeter, zielt aber absichtlich und aus Diskretion am Tor vorbei und verkneift sich die Antwort „sicher nicht, ich habe noch Sex“. Stattdessen sagt sie: „Ich fürchte nicht, ich fahre zwar einen VW, aber keinen Golf, sondern einen Lupo.“

B. stellt sich mal an den einen, mal an den anderen Stehtisch und versucht, sich in die Unterhaltungen zu verwickeln. Sie verwickelt sich wie immer nur in Widersprüche.
„Mein Mann und ich haben uns beim Schilaufen in der Schweiz kennengelernt“, erzählt eine feine Dame und auch B. schildert aus ihrem Liebesleben. „Mein Mann und ich haben uns im Gefängnis kennengelernt“, erzählt sie die Wahrheit, die niemand hören will. Leise zählt B. mit. Das war das fünfzehnte Fettnäpfchen. Bei dreiundzwanzig wird sie nach Hause gehen.

„Netzwerken“ nennt man diese inhaltsleeren Gespräche hier, und weil B. gern eine berühmte Schriftstellerin werden möchte, versucht sie anzuknüpfen. Aber ihre zusammengestückelten, verfilzten Fäden passen nicht zu dem feinen Garn der anderen Knüpferinnen. Sie sehnt sich nach C., nach den D’s, nach Ch., nach ihren White-Trash-Freundinnen der Lower Class. Die wissen, wie es sich anfühlt, wenn man Angst haben muss, dass einem der Strom abgedreht wird.

Es ist schwül hier drin, die teuren Parfums der teuren Damen vermischen sich mit dem Duft von Lavendel und Rosen.
B. will ein Papiertaschentuch aus der recycelten Handtasche ziehen, um sich kultiviert die Stirn abzutupfen und erwischt irrtümlich die Serviette mit den Lachs-Ei-Brötchen.
Dreiundzwanzig. Und tschüs.


„Scheiß dich nicht an“, sagt D1 später zu B. „Wenn ich in ein reinliches Haus komm, hab ich auch Angst, ich könnte es allein mit meinem Lachen verschmutzen.“
Dazu lacht sie dreckig, und ein paar Sonnenstrahlen schwindeln sich in B’s Küche.

Donnerstag, 25. Juni 2009

3+4=7

Als ich am Montag abreiste, um TeamleiterInnen zu schulen, hatten wir drei Kätzchen. Als ich gerade nach Hause gekommen bin, waren es sieben.

Für mich ist so etwas jedesmal ein kleines - nein, ein großes - Wunder.



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Montag, 15. Juni 2009

Elfriede

„Haben Sie die WM verfolgt? War das geil, nicht wahr?“
Es war der Sommer 2006, es war in Berlin. Und es waren die ersten Worte, die Elfriede an mich gerichtet hat.
Die Worte an und für sich fand ich ja nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich fand ich nur, dass sie aus dem Mund einer damals 84-jährigen kamen.

Am Wochenende hab ich Elfriede wieder gesehen. Sie ist jetzt – bingo! – siebenundachtzig. Ihren Freund von damals hat sie immer noch. Aber vom Zusammenziehen hält sie nichts. „Da geht man sich nur auf die Nerven", sagt sie aus Erfahrung, und: "Ich brauch meine Freiheit, weißt du?" Ich weiß. Mittlerweile sind wir natürlich längst per Du, denn ich hab die Frau – und ich glaub, auch sie ein bisschen mich – ins Herz geschlossen. Sie lacht verschmitzt, sie weint, weil sie so gerührt ist über die Hochzeit ihres Enkelkindes, sie wirkt lebendiger als manch 20-jährige auf dem Fest.

Im Alter von siebzig hat sie den Führerschein gemacht, weil die Freiheit - Elfriede ist aus Thüringen, in der ehemaligen DDR - ihr so wichtig ist.
Nicht nur mit mir ist sie auf Du und Du, sondern auch mit der Technik. Digitalkamera? Aber natürlich. Mit Fotos auf Papier kann ja heutzutage keiner mehr was anfangen. Nur über die winzige Schrift in der Bedienungsanleitung hat sie sich geärgert.
Internet? Selbstverständlich. Dort hat sie ja ihren Freund kennengelernt, im Chat. Elfriede hat ein bisschen geschummelt und sich im Chatraum „70+“ registriert, dabei war sie damals schon über achtzig. Aber auch der „junge Mann“, den sie dort aufgerissen hat, hat geschummelt, er ist zwei Jahre älter als sie.

Für die Hochzeit ihres Enkelkindes, der ihr beinahe wie ein eigenes Kind war und bei ihr aufgewachsen ist, hat sie Fotos aus seiner Kindheit auf eine CD gebrannt und die CD schön bedruckt. „Da hab ich mir extra einen Brenner gekauft, der das kann“, erzählt sie, „weil wenn man die beklebt, das ist ja nicht so gut für die Scheiben. Und die alten Bilder hab ich eingescannt und im Photoshop bearbeitet.“

Es ist schon weit nach Mitternacht, als Elfriede sagt: „Weißt du, es ist ja nicht so, dass mir nix weh tut. Manchmal ist es ganz schön schlimm, wenn der Körper nicht mehr so will wie der Geist. Vor ein paar Wochen war ich in Polen, an der Ostsee, das war ziemlich anstrengend. Es gibt Momente, da wünsche ich mir, ich würde den körperlichen Verfall geistig nicht mehr so mitkriegen.“ Ich möchte Elfriede an mich drücken, und ich tu es auch. Sie hält meine Hand. „Andererseits würde ich auch nicht tauschen wollen. Und das Jammern, das bringt einen sowieso nicht weiter. Das macht alles nur noch schlimmer.“ (Elfriede, könntest du das bitte unserer Sekretärin erzählen?)

„Gibst du mir noch deine E-Mail-Adresse?“, fragt Elfriede zum Abschied und ich drücke sie noch mal an mich. Hoffentlich nicht das letzte Mal.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Pachtvertrag

Sie trat aus dem Büro. Es war spät, es war dunkel, es war trüb, es war traurig. Es regnete, draußen und drinnen. Sie fluchte. Verdammte ihr kompliziertes, mickriges Leben und beneidete die, die es leicht hatten, die schön waren und die das Glück gepachtet hatten. Gleichzeitig schämte sie sich für ihren Neid, und dafür, dass sie so etwas überhaupt dachte, denn natürlich gab es solche Menschen gar nicht, und wenn sie bei klarem Kopf war, dann wusste sie das auch.

Es gab keinen unbefristeten Pachtvertrag für ein paar Quadratmeter Glück. Es gab nicht einmal einen befristeten für einen Quadratzentimeter. Es gab nur winzige Momente im Leben, auf denen stand das Wort Glück, und die fielen gelegentlich unerwartet vom Himmel und manchmal war das Wort in einer fremden Sprache geschrieben und man konnte es nicht verstehen und deshalb auch nicht sehen.

Heute war sie nicht bei klarem Kopf, sondern bei schlammig-trübem. Sie weinte, bemitleidete sich, bejammerte das, was sie für ihr Schicksal hielt. Kopf und Herz hielt sie gesenkt, weil sonst niemand sehen konnte, wie unglücklich sie war. Was aber war das für ein Unglück, wenn niemand es sehen konnte? Es zählte nur halb, oder noch weniger, vielleicht nur ein Viertel so viel wie sichtbares Unglück, es zählte genauso wenig wie ein Glück, das man nicht lesen konnte.

Beinahe wäre sie darüber gestolpert. Sie hob es auf und betrachtete es von allen Seiten. Es war wunderschön. Sie befühlte es mit ihren Fingern. Es war kühl und glatt und fühlte sich gut an. Sie schnupperte daran. Es duftete zwar nicht nach der Lichtkönigin Lucia, ihrer Lieblingsrose , aber wenigstens stank es nicht.
Das hat jemand verloren, dachte sie, das gehört nicht mir. Sie schaute nach allen Seiten, ob jemand sie beobachtete. Zögernd steckte sie es ein und ging langsam weiter. Doch als sie um die Ecke gebogen war, spürte sie einen stechenden Schmerz in der Brust. Das Gewissen hatte zugebissen. Sie machte kehrt, legte es wieder auf den Weg, und sicherheitshalber - und damit es nicht fror - deckte sie es mit ein paar Kieselsteinen zu.

Später konnte sie nicht schlafen, und diesmal lag es nicht an ihren dunklen Gefühlen, sondern an ihren wirren Gedanken. Das hat jemand extra für mich hingelegt, träumte sie. Ich hab das nicht verdient, träumte sie weiter. Vielleicht hab ich das doch verdient?, halbschlief sie.
Es gibt Menschen, die mich gernhaben. Mit dieser Gewissheit wachte sie auf.

Neugierig und aufgeregt verließ sie das Haus. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie zu der Stelle kam. Es lag immer noch da. Nur die Kieselsteine, mit denen es zugedeckt war, lagen in der Wiese. Sie waren zu einem BITTE NIMM gelegt.
Das ist verrückt, dachte sie. Völlig verrückt. Ein Verrückter oder eine Verrückte musste es dahin gelegt haben und wollte, dass sie es fand. Ausgerechnet sie. Vielleicht bin ich es ja, die verrückt ist, starrte sie an sich herab und nickte. Oder wir beide? Aber wenn zwei verrückt waren, ergab das noch lange keinen Sinn. Warum ständig nach dem Sinn suchen, fragte sie sich dann und fand keine Antwort.

Langsam bückte sie sich, steckte es in ihre Tasche und wartete einen Moment. Auf den Biss. Aber der kam nicht. Nur ein wohlig-warmes Gefühl kam und malte ihr ein Lächeln ins Gesicht und Sonnenstrahlen in den Himmel.
Sie lächelte noch immer, als sie Stunden später das Büro verließ. Es war ein wunderschöner Tag gewesen, trotz der vielen Arbeit. Ihre Sekretärin hatte sich über den Kaffee gefreut, den sie ihr gekocht hatte, ihr Kollege über ihren kurzen Rock und die steilen Schuhe und ein Kunde hatte nicht nur ihre Professionalität, sondern auch ihre Freundlichkeit und ihr großes Herz gelobt.

DANKE, stand aus Kieselsteinen gelegt in der Wiese.
WOFÜR?, legte sie daraus, pfiff ein falsches Lied und ging hüftschwingend ins Kaffeehaus.
Am nächsten Morgen lagen ganz viele Steinchen in der Wiese.

Dafür, dass du nicht nur geben, sondern auch nehmen kannst.

„Sagen Sie mal“, sagte die Chefin, „ich sehe Sie in den letzten Tagen ständig selig vor sich hinlächeln. Sie scheinen das Glück ja gerade gepachtet zu haben.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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"Pinguin"
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bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
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Lo - 7. Jan, 13:36
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loving it :-)
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viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
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