Bei einem Hausbesuch hat mir meine Lieblingsklientin ein paar vollbeschriebene Seiten in die Hand gedrückt. "Allein selber geschrieben", stand links oben in ihrer fast unleserlichen Handschrift.
"Sie sind ja Autorin", sagt sie. "Machen Sie bitte was draus."
"Darf ich das dann auch veröffentlichen?", frage ich.
Sie strahlt. "Aber natürlich."
Er erhebt sich
zur Mitternachtssperrstund
getrieben vom Wirt
und vor Wut
Das Glasschwer alles kruzifix hin
gebrochen
Scherben klirren durch die Nacht
und der wirtslaute Schrei
Es schneit
Bei der Kälte
jagt man keinen Hund
in die sternhagelvolle Wintersnacht
wimmert er
doch das Schicksal hat kein Erbarmen
Der Wirt auch nicht
Morgen Früh
wird er Ordnung in der Gaststube machen
und morgen Abend
wird es frische Gäste
schneien
Gute Gäste
Das Lumpenpack soll draußen bleiben
wird auf der Schiefertafel stehen
unter der Gerösteten Leber
Um die Ecke steht ein G’schmierter
und weiße Mäuse *
reiten mit blauen Lichtern
auf schweren Feuerrössern durch die Nacht
Fast fällt er
Wie der Augustin, denkt er
Alles ist hin
Das ist meine Grabesgrube
Der Doktorzauber wirkt nicht mehr
und sie ziehen dir den
steifen Holzpyjama an
begleitet mit Blasmusik
Oder als Häufchen Asche
in der Urne am Kamin
so denkt er auf seinem letzten Weg
und wankt weiter
Es spukt in seinem Hirn
es spuckt aus seinem Mund
Bier Wein Schnaps
ein Gespenst mit einem Glas Wein
lehnt an der Laterne
und prostet ihm zu
Das ist mein letzter Rausch, sagt er
Imwahrstensinnederwörter
Die letzte Kellerspaßnacht
er/brach
ein später alter Hund
(wie er bei dieser Kälte in die Nacht gejagt)
leckt
die Speibspeise auf
Das ist mein letzer
Rausch, röchelt er und stirbt
Es schneit
Er rutscht am matschigen Leben aus
die Straßenlaterne hält nicht
was sie verspricht
Der Schlüssel passt
nur noch ins letzte Loch
Er schließt die Tür zum ewigen Bund auf
Ja, ich will, lallt er
und ich werde dich lieben und achten
und dir treu sein bisdassderTodunsscheidet
Zu spät erkennt er
hinter dem Schleier der Braut
den Tod
* ein G'schmierter = Polizist
* weiße Maus = Polizist auf einem (weißen) Motorrad
(Marianne W., Barbara L.)
testsiegerin - 11. Nov, 19:17
„Igitt!“ Grete Zwieschneider war nicht angezogen, um bei acht Grad und Nieselregen an einer gehweglosen Landstraße entlang zu wandern. Grete Zwieschneider war angezogen, um bei achtzehn Grad und leicht bewölktem Himmel mit ihrem Volvo durch den goldenen Oktober zu fahren. Aber im Waldviertel interessierte sich das Wetter nicht für die Vorhersagen der Meteorologen in Wien. Und Gretes Volvo interessierte sich nicht dafür, dass seine Besitzerin ihm erst vor drei Tagen für den Einsatz von achthundert Euro ein neues Pickerl ermöglicht hatte. Er hatte einfach ein paar Mal geächzt und war dann lautlos stehen geblieben.
Zwettl 11 km stand auf dem Wegweiser. Und klein darunter: Ratschenreithsgschwendt 1 km. Gretes Füße schmerzten, aber ein Funken Hoffnung leuchtete auf.
Ihr Handy hatte sie auf der Kommode liegen lassen. Sie wollte nicht erreichbar sein, vor allem nicht für Tom. Er hatte sich seit genau zehn Tagen nicht gemeldet. Sollte er ruhig auch einmal das Gefühl haben, dass sie nicht auf seinen Anruf wartete.
Seit neun Jahren ging das nun schon so. Er kam, wann er wollte, er ging, wann er wollte, und manchmal, wenn sie Glück hatten, kamen sie gemeinsam. Vielleicht hatte sie ihn deshalb noch nicht aus ihrem Leben geschmissen. Dabei hatte sie den Verdacht, dass sie nicht die einzige war, mit der er gemeinsam kam.
Auf ihrem Weg nach Ratschenreithsgschwendt kam kein einziges Auto. Das war Grete auch Recht, denn vorbei rauschende Autos hinterlassen im Nieselregen feuchte, stinkende Wolken und versauen einem die roten Stiefel, den dunklen Rock und die helle Bluse. Und die Achtzig-Euro-Frisur. Sie hatte sich richtig in Schale geschmissen, um den Herrschaften von der Pharmaline Austria nicht den Eindruck zu vermitteln, Frau Apothekerin Zwieschneider hätte das Geld nötig. Natürlich hatte sie es nötig, schließlich besaß sie keinen blassen Schimmer, womit sie Geld verdienen sollte, wenn sie die Apotheke erst verkauft hatte. Hoffentlich gab es in diesem Ratschendings wenigstens eine öffentliche Telefonzelle, damit sie in Salzburg anrufen konnte. Jetzt waren es nur noch etwa hundert Meter bis zum Ortsschild. Von hinten rollte ein Auto heran. Sie bereitete sich auf eine Schmutzwasserwolke vor, hörte dann aber eine Männerstimme von hinten: „Soll ich Sie ein Stückerl mitnehmen?“
„Gern.“ Sie stieg in den dunkelblauen Audi und gab dem Mann mit den hellgrünen Augen die Hand. „Guten Tag. Ich hatte eine Autopanne. Gibt es in Ratschendingsbums eine Werkstätte?“
Er lachte.
„Ein Gasthaus?“ Ihr Magen knurrte.
Er lachte.
„Eine Telefonzelle?“
„Keine, die noch funktioniert.“ Er reichte ihr sein Handy, aber sie griff nicht danach. Er steckte es wieder in die Brusttasche seiner Arbeitsjacke.
„Sind Sie von hier?“, versuchte Grete sich im Small Talk.
„Wie man’s nimmt.“ Der Small Talk blieb sehr small.
Grete betrachtete ihn. Das Blau seines Audis passte nicht zum Grün seiner Augen. Die Lagerhausjacke nicht zu den Ledersitzen. Seine lachenden Lippen nicht zum Rest seines ernsten Gesichts. Nichts an ihm passte zusammen.
„Sind Sie Bauer?“
„Wie man’s nimmt.“
Der Audi stoppte und der ebenso fraglich Einheimische wie Bauer nickte stumm nach links. Das bedeutete vermutlich, dass sie das Ortszentrum erreicht hatten und alle Fahrgäste aussteigen sollten.
„Den allerherzlichsten Dank, der Herr“, versuchte es Grete noch einmal, ohne ernsthaft mit einer Antwort zu rechnen.
„Schupf“, kam es aus dem Wagen, als sie gerade im Begriff war, die Türe zu schließen.
„Angenehm“, murmelte sie, nachdem sie beinahe Gesundheit gewünscht hätte.
„Heinz Schupf.“
„Grete Zwieschneider.“
„Da drüben.“ Er nickte wieder, diesmal nach rechts.
„Ja?“
„Der repariert Autos.“
Dieses Augengrün. Dieses Grübchen an seinem Kinn. „Interessant.“ Grete hatte es plötzlich gar nicht mehr eilig. Hungrig war sie noch immer. Sie stieg wieder ein und zog die Tür hinter sich zu. „Gehen wir vorher noch eine Kleinigkeit essen? Ich lade Sie ein.“
Er winkte dem Mechaniker zu und stieg aufs Gas, was Grete als „Ja, gern“ interpretierte. Schweigend fuhren sie aus dem Ort hinaus. Bei der nächsten Abzweigung bog Heinz Schupf ab und ließ den neuen Audi vor einem alten Bauernhof ausrollen.
Grete folgte dem schweigsamen Mann in die Küche. Die war ebenso karg und herb wie die Waldviertler Landschaft, deren Wesen sich nicht auf den ersten Blick erschloss. Wenigstens warm war es hier drinnen, denn im Küchenofen knisterte ein Feuer.
Er öffnete den Kühlschrank. „Bitte.“
Grete war sich nicht ganz sicher, wie sie dieses „Bitte“ verstehen sollte. Der Kühlschrank war so armselig befüllt, dass sie annahm, Heinz Schupf habe sie soeben um eine Lebensmittelspende gebeten.
„Ich bin kurz im Keller und Sie räumen derweil aus. Stellen Sie alles auf den Küchentisch.“
Sie tat, wie ihr geheißen und verteilte den Inhalt des Kühlschranks auf dem riesigen dunklen Eichentisch, der den Eindruck machte, als habe er schon so manchen Krieg überstanden. Unter anderem den Dreißigjährigen.
„Nun denn. Was haben wir denn da? Ein halbes Packerl Butter. Also fast ein halbes Packerl. Ein Ei, immerhin ein ganzes. Ein Stückerl Käse, allerdings mit Löchern. Mit großen Löchern. Und...“
„Und?“
„Drei Flaschen Grüner Veltliner Smaragd Loibner Berg. Vom Pichler. Die Flasche für vierzig Euro, schätz ich mal. Nobel geht die Welt zugrunde. Haben Sie den für eine besondere Gelegenheit eingekühlt?“
Er stellte die Kiste gefüllt mit Kürbis, Mangold, Zwiebeln und Kartoffeln auf den Tisch, öffnete die Schublade und reichte ihr den Korkenzieher. Dann schob er ein Stück Buchenholz in den Ofen, lehnte sich an den Türstock und beobachtete, wie sie in allen Schränken nach Gläsern suchte und im letzten welche fand.
Sie ließ den Wein im Glas kreisen und atmete seinen Duft ein, wie sie es im Weinseminar gelernt hatte. Er roch nach Mangos, Honig und einem Stück geräuchertem Scheunentor. Sie prostete ihm zu, setzte das Glas an die Lippen und kostete.
„Und?“, fragte er.
„Zurückhaltend, elegant und verschlossen.“
Er prostete zurück, leerte sein Glas in einem Zug und schaute sie aufmunternd an.
Nun denn, dachte Grete, wenn es hier so Brauch ist. Sie setzte erneut an und tat es ihm gleich.
„Schmeckt, gell?“
In der Tat. Ein guter Wein schmeckte offensichtlich auch, wenn man ihm hinunterkippte wie ein Verdurstender einen Kübel Wasser. Allerdings keineswegs mehr zurückhaltend oder elegant. Heinz schüttete nach, und nur zehn Minuten später hatten sie die erste Flasche ausgetrunken.
„Ganz schön warm, der Ofen.“ Sie knipste sich zwei Blätter vom Mangold ab und fächerte sich damit Luft zu.
Er öffnete die zweite Flasche.
„Aber ich muss doch nach Salzburg“, protestierte sie schwach, hielt ihm aber das Glas hin, damit er einschenken konnte.
„Ja, ja.“
„Ich muss dort nämlich meine Apotheke verkaufen.“
„Sicher. Stellen Sie erst mal die Erdäpfel auf.“
„Ha!“ Sie drehte sich abrupt zu ihm und wäre in ihren roten Stiefeln beinahe umgekippt. „Ich weiß, wo der Topf ist.“ Mit viel Glück fand sie auch die Wasserleitung und den Deckel. Es zischte, als sie den gusseisernen Topf mit den Kartoffeln auf den Ofen stellte. Er war jetzt ganz nah hinter ihr. „In Salzburg habe ich studiert. Betriebswirtschaft.“
„Großartig. Wissen Sie vielleicht, wo die Bergheimer Straße ist?“
„Ja, das weiß ich.“
„Ausgezeichnet. Da muss ich um vierzehn Uhr sein. Bringen Sie mich hin?“
„Grundsätzlich gern. Aber erstens hab ich soeben eine halbe Flasche Veltliner getrunken und zweitens ist es schon viertel zwei.“
„Du lieber Himmel. Haben Sie ein Telefon?“
„Nein.“
Sie konnte seinen Atem an ihrem Hals spüren. Sie konnte ihr Herz in ihrem Hals klopfen spüren. „Nun denn. Möchten Sie zufällig eine Apotheke kaufen?“
„Nicht heute.“
Grete rührte sich nicht. Bei einer Bewegung nach vorne würde sie sich am Ofen verbrennen, bei einem Schritt nach hinten an einem spröden, promovierten Bauern. Sie hätte zur Seite ausweichen können, aber selbst das ging aus irgendeinem Grund nicht. Vielleicht hatte er ihr etwas in den Wein gemischt.
„Was essen wir zu den Kartoffeln?“, presste sie hervor.
„Ihre Entscheidung. Sie wollten mich zum Essen einladen, nicht ich Sie.“
„Wie soll ich kochen, wenn Sie mir den Weg verstellen?“
Er zuckte mit den Achseln und trat einen Schritt zur Seite. Leider, denn die Kombination aus dem offenem Wachauer Wein und dem verschlossenen Waldviertler Wesen erregte sie. Sie nahm das Gemüse aus der Kiste und legte es Stück für Stück auf den Holztisch. Eine Zwiebel kullerte zu Boden. Langsam und so aufregend wie möglich bückte sie sich um sie aufzuheben. Anscheinend war so aufregend wie möglich aufregend genug, denn sie spürte, wie sich seine grünen Augen auf ihren Po hefteten. Sie drehte sich um, zog die Augenbrauen hoch und schaute ihn herausfordernd an. Mit seinem Mittelfinger gab er einer weiteren Zwiebel einen Schubs. Schwerfällig rollte sie auf die Tischkante zu und fiel mit einem dumpfen Ton hinunter.
„Noch mal“, sagte er.
Das gefällt dir wohl, dachte Grete, und es gefiel ihr, dass es ihm gefiel. Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihr Rock jetzt ein paar Zentimeter höher rutschte, spreizte die Beine etwas mehr als beim ersten Mal und hob langsam, ganz langsam die Zwiebel auf, legte sie artig auf ihren Platz zurück, drehte sich um und lehnte sich gegen die Tischkante.
Heinz stand ihr jetzt etwa drei Schritte entfernt gegenüber und sie genoss seinen Blick, der langsam von ihren Füßen aufwärts über ihren Körper glitt. Zwischen ihren Schenkeln verweilte er ein bisschen, und sie spürte, wie es unter ihrem Rock ganz warm wurde.
„Heiß hier“, sagte sie leise, und als er ihre Brüste erreichte, fasste sie sich an den obersten Knopf und öffnete ihn.
„Weiter“, sagte er nach einer unendlich langen Zeit, und Grete machte weiter. Öffnete Knopf für Knopf. Ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Und überlegte, welche Unterwäsche sie wohl heute Morgen angezogen hatten. Hoffentlich passte die zu den roten Stiefeln.
Er zog seine Jacke aus und warf sie auf die Eckbank. Darunter trug er ein schwarzes T-Shirt mit der knappen Aufschrift Ich kann. Daran zweifelte sie keineswegs. Sie senkte den Blick. Seine ausgewaschenen Jeans waren zum Knöpfen. Sehr schön, dachte sie.
„Sie auch“, legte er zwei Worte und zwei Stück Holz nach.
„Ja. Ich kann auch.“ Sie schlüpfte aus der Bluse und stand in Rock und cremefarbenem Spitzen-BH vor ihm. Trotz der Hitze zitterte sie und hatte einen trockenen Mund. „Dürfte ich vielleicht noch ein Schlückchen Wein haben?“
Sie durfte.
„Kochen Sie weiter, sonst verhungern wir noch.“
„Gern.“ Sie tat jetzt einfach so, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, halbnackt in einem fremden Waldviertler Bauernhaus für einen fremden Waldviertler zu kochen. Und irgendwie war es plötzlich auch das Natürlichste auf der Welt. Sie häutete die Zwiebel und schnitt sie konzentriert in kleine Stücke. „Ganz schön scharf.“ Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und griff nach dem Kürbis. „Haben Sie als Bauer denn gar kein Fleisch im Haus?“
„Doch. Es schält gerade einen Hokkaido.“
Grete fand, dass es gar kein schlechtes Gefühl war, so ein Stück Fleisch zu sein. Er zog einen Stuhl heran, setzte sich rittlings drauf, stützte seine Hände an der Lehne ab und beobachtete sie beim Aushöhlen des Kürbisses.
„Dürfen es auch ein paar Kilo mehr sein?“, fragte Grete. Sein Schweigen wertete sie als stumme Zustimmung. Sie öffnete Knopf und Reißverschluss am Rock und wandte sich wieder dem Kürbis zu. Während sie schälte, rutschte der Stoff nach und nach an ihr herunter und gab die versprochenen Kilos preis. So stand sie ein paar Minuten mit halb herunter gelassenem Rock am Küchentisch und legte das nackte Fruchtfleisch frei.
Als sie fertig war, drehte sie sich zu ihm um und wischte ihre feuchten Finger über ihren Brüsten trocken. „Ganz schön glitschig.“
„Der Kürbis auch?“
„Ja. Und hart.“
„Ja. Ist er.“
„Können Sie so lieb sein und den Rock ganz hinunterziehen? ich möchte nicht, dass er schmutzig wird. Ich muss ja schließlich noch nach Salzburg. Hab ich das schon erwähnt?“ Sie nahm noch einen Schluck Wein, der sie trunken und mutig machte.
„Ja. Ich kann.“ Sie wusste nicht, ob der Wein ihn mutig machte, auf jeden Fall machte er ihn nicht gesprächiger.
„Würden Sie bitte auch?“ Noch nie hatte sie einen Mann darum bitten müssen, ihr aus den Kleidern zu helfen, aber gerade das reizte sie.
Heinz stand auf, blieb kurz vor ihr stehen und gab dem Rock mit dem Zeigefinger einen kleinen Stups nach unten.
Sie bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, ihn auf die Bank zu legen, er dagegen schob ihn einfach mit dem Fuß unter den Tisch.
Hoffentlich ist der Boden sauber, dachte sie und musste zugeben, dass selbst ein seit Wochen ungekehrter Boden reiner als ihre Phantasien wäre.
Sie war sich ganz sicher, dass seine Gedanken im Moment nicht weniger schmutzig waren als ihre eigenen, er machte aber weiterhin keine Anstalten sie durch Worte oder Taten daran teilhaben zu lassen. So elegant wie es ihr in angetrunkenem Zustand möglich war setzte sie sich auf die Tischplatte, die ein wenig feucht vom Kürbis war und spreizte einladend ihre Beine. Jetzt komm endlich näher, du sturer Bock, dachte sie, und tatsächlich gehorchte er ihr. Als sich sein Becken langsam zwischen ihre Schenkel drängte, schrie sie auf.
„Die Erdäpfel! Sie brennen an! Nehmen Sie bitte den Topf vom Herd!“
„Kochen ist Ihre Aufgabe.“
Er packte sie fest an den Hüften, so dass es ihr ein bisschen wehtat, und hob sie mit seinen kräftigen Händen vom Tisch. Mit weichen Knien torkelte sie zum brodelnden Topf und stellte ihn beiseite.
„Hmmm. Die riechen gut. Haben Sie die mit Ihren eigenen Händen aus der Erde geholt?“
„Ja. Mit wessen Händen denn sonst?“
„Hoffentlich haben sie die armen Erdäpfel dabei nicht genauso grob angefasst wie mich eben.“ Sie hoffte das weniger aus Mitleid als aus Eifersucht und wünschte sich, dass er gleich wieder so zugriff.
Diesen Gefallen tat er ihr natürlich nicht. „Steht auf ihrer Unterhose eigentlich auch Ich kann?", fragte sie, streifte ihn beim Vorbeigehen mit der Hand am Oberarm und fing an den Kürbis zu schneiden und den Mangold von den Stielen zu zupfen.
„Vielleicht?“
„Zeigen Sie doch mal.“
„Schauen Sie doch selber nach.“
Das ließ Grete sich nicht zweimal sagen. Sie wischte sich die feuchten Hände an seinem Shirt ab und knöpfte seine Jeans auf, sorgsam darauf bedacht, nur den Stoff und nicht den Körper darunter zu berühren. Als sie alle fünf Knöpfe geöffnet hatte, zog sie die Hose über seine Hüfte.
„Ich sehe nichts.“ In Wahrheit sah sie sehr wohl etwas. Etwas, das ihr sehr gefiel. Aber keine Wörter.
„Vielleicht steht es auf der Innenseite.“
„Oh ja. Da steht tatsächlich etwas.“ Sie ging in die Knie.
„Können Sie lesen?“
„Grundsätzlich ja. Aber es ist zu dunkel hier. Und außerdem ist es verdammt heiß. Darf ich ein bisschen blasen?“
Er sagte wenigstens nicht Nein. Also blies sie. Ganz sanft. Ganz behutsam.
„Wird es schon etwas weniger heiß?“, fragte sie besorgt.
„Nein. So wird die Glut noch mehr angefacht.“
Das hatte Grete auch schon gemerkt. Das Feuer wärmte ihre Hände und Lippen. Trotzdem fragte sie: „Soll ich versuchen zu löschen?“
Sie nahm einen Schluck Veltliner und begann mit den Löscharbeiten. Grete mochte eine erstklassige Apothekerin sein, aber sie war eine lausige Feuerwehrfrau, denn trotz aller Bemühungen hatte sie das Gefühl, nur Öl ins Feuer zu gießen.
*
„Hmmm.“
„Schmeckt’s?“
„Ja.“ Er führte die Gabel mit dem Kartoffel-Kürbis-Mangold-Auflauf zum Mund. „Und Ihnen?“
„Ja.“ Sie hatte sein T-Shirt an, das sie ihm nach dem Sex abgeluchst hatte. „Wie Sie sehen, kann ich nämlich auch... kochen.“
„Nicht nur das können Sie.“
„Grete“, sie griff nach dem Weinglas und ließ es gegen seines klingen.
„Ich weiß.“
Sie tranken jetzt langsam. Sie aßen langsam. Sie schauten sich langsam in die Augen. Und draußen wurde es langsam dunkel.
Grete würde morgen nach Salzburg fahren. Oder übermorgen. Oder gar nicht. Sie wusste plötzlich nicht mehr, ob sie die Apotheke tatsächlich aufgeben sollte. Was sie mit ihrer Zukunft anfangen sollte. Sie wusste nur, wie sie die heutige Nacht verbringen wollte. An den schweigsamen Heinz geschmiegt.
„Kannst du noch bleiben?“, hatte er gefragt und sie hatte wortlos geantwortet: „Ich kann.“
testsiegerin - 4. Nov, 21:19
Mit der großen Astschere zwicke ich alte, vertrocknete Gefühle ab. Gedanken, die keiner mehr braucht. Weg mit dem Neid und den Zweifeln. Weg mit der Depression. Ausdünnen nennt man das. Vor allem die Wut, die nach innen wächst, muss weg, sonst kann ich nicht blühen.
Ein paar dieser Scheiß-Gefühle wollen sich nicht von mir trennen, bei denen wende ich Gewalt an. Die Schuldgefühle zum Beispiel, die klammern sich hartnäckig an meinen Stamm. Für besonders sperrige Emotionen brauche ich die Säge. Wieauuuuummm. Weg damit.
In meinem Eifer erwische ich auch junge Triebe, die ich irrtümlich wegkappe. Ärgerlich, so viele sind es in meinem Alter nicht mehr. Hoffentlich wachsen sie nach.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und stehe vor meiner Ernte. Ein riesiger Haufen liegt vor mir. Was tun damit? Verbrennen? Geht nicht, es regnet und der frische Ärger brennt nicht, sondern raucht nur.
Zum Glück habe ich vor kurzem einen Häcksler angeschafft.
Ich stopfe meinen Seelenmüll in den Einfülltrichter und sehe zu, wie er im Inneren des Geräts verschwindet. Da drinnen rotiert ein Messer und hackt ihn in kleine Teile. Eine tiefe Befriedigung erfüllt mich, als ich sehe, wie meine Unlust, meine Traurigkeit und meine Angst in ihre Einzelteile zerhackt und in leicht verdaulichen Portionen ausgespuckt werden. Immer schneller fülle ich nach, beobachte, wie dieses wildgewordene Tier gierig meine trüben Stimmungen auffrisst und vernichtet.
Ich betrachte den Auswurf und wundere mich, wie ich mich davon so quälen habe lassen. Jämmerlich und lächerlich sieht das Ergebnis aus.
Langsam, ermahne ich mich, als ich weitermache, sonst verstopfen die üblen Gedanken das Werk.
Die Arbeit ist getan. Vor mir liegt ein Haufen zerschredderter, gebrauchter Emotionen. Ganz klein liegen sie da, die Überheblichkeit und die Arroganz und schweigen zitternd. Die Schuldgefühle sind kaum noch zu erkennen und der Hass scheint überhaupt verschwunden.
Ich freue mich, dass jetzt endlich aller Mist von mir weg ist. Mit dem Häckselgut werde ich die Rosenbeete mulchen oder warten, bis er auf dem Komposthaufen in hochwertigem Humus umgewandelt wird, auf dem riesige Kürbisse wachsen. Meine Gedanken sind klar, rein und schön.
Und plötzlich ertappe mich bei der Frage, ob man das Gerät auch mit Leichenteilen beschicken könnte, die es so mir nichts, dir nichts zerschnipseln würde? Den arroganten Typen vom Call-Center oder den unfähigen Lagerhausmitarbeiter, der mir den Häcksler verkauft und mich behandelt hat wie eine Stadttussi, die keine Ahnung von Technik und Gartenarbeit hat.
Erst mit der Säge die großen Gliedmaßen ab, und ganz zum Ende das mickrige Glied, mit der Astschere. Schnapp. Und dann rein damit in den Trichter und auf volle Touren schalten. 6,60 Kilowatt. Ökologisch entsorgt. Die Reste holen sich die Ratten.
Es ist ein gutes Gefühl, so reinen Herzens zu sein.
testsiegerin - 29. Okt, 18:28
„Geh schleich dich!“, sage ich zu meiner Herbst-Winter-Depression, in einem Tonfall, in dem ich nur mit sehr guten Freunden spreche.
Sie schleicht sich.
In meine Knochen, auf meine Brust, unter meine Decke.
„Dein Körper braucht jetzt Ruhe“, sagt sie, „und viel Schlaf.“ Sie widerspricht meinem Trainer, der meint, mein Körper brauche dreimal die Woche Kraft- und Ausdauertraining.
„Ihre Sorgen möchten wir haben“, sagt die Versicherung, aber ich weiß, dass sie lügt. Die möchten meine Sorgen überhaupt nicht haben. Die möchten gar nicht, dass ich ein sorgenfreies Leben führe.
„Deine Depressionen möchte ich haben“, sagt die Freundin und ich weiß, dass sie die Wahrheit sagt. Sie findet mich trotz meiner SAD (das find ich eine wunderschöne Wortschöpfung, beinahe eine Onomatopoesie), also trotz meiner Traurigensaisonalabhängigendepression aktiv und voller Kraft.
Ich nenne SAD (wir kennen uns schon lange) zärtlich SADIE, weil sie neben dem traurigen Element auch sadistische Züge hat.
Wann war ich eigentlich zum letzten Mal so richtig glücklich?, lasse ich mich in SADIES Arme fallen. Wann habe ich zuletzt herzhaft gelacht?
„Na, wann denn?“, will SADIE wissen und lächelt spöttisch.
Ich schaue weg und antworte nicht. Es ist mir peinlich, weil ich die Antwort kenne.
Vor einer halben Stunde, als ich mit meiner Freundin Sekt getrunken und Geburtstagstorte gegessen und einen guten Film geschaut habe. Vor ein paar Stunden, als meine Kinder mich umarmt und mir gesagt haben, dass sie mich liebhaben. Als ich mit Frau Dr. Blubb Bruttosozialprodukt ins Mikro gegrölt und dafür die Note „Amateur“ bekommen habe. Heute Vormittag, als ich im Garten Nüsse geklaubt habe. Heute früh, als ich an meiner neuen Geschichte geschrieben habe. Gestern bei meinem Lieblingstatort. Gestern Mittag, als ich statt der Stiefel die Ohrringe gekauft habe, weil Ch. das Geld dringender braucht als der Humanic. Gestern Vormittag, als ich mich eine Stunde auf dem Crosstrainer verausgabt hab und das nicht als Qual, sondern als Glück erlebt hab. Danach in der Sauna.
Am Samstag bei der Lesung, als ich gespürt hab, dass ich die Leute mit meinen Geschichten berühren kann. Als ich für meine beste Freundin ein Bild gekauft hab. Als überraschend mein Bruder und seine Frau zur Lesung gekommen sind. Als ich gefühlt hab, wie unendlich glücklich es mich macht, meine Geschichten zu teilen. Anschließend mit den Frauen zu quatschen und lachen. Vorgestern, beim Theaterspielen und beim Tanzen war ich glücklich und befreit. Im Fitnessstudio. In der Arbeit. Beim Kochen. Beim Lesen. Beim Leben.
„Siehst du“, sagt SADIE, „ein wenig Trübsal, Dunkelheit und Müdigkeit kann dir nicht schaden.“
„Weißt du was, SADIE?“, sage ich, „GABS!“
„Was bedeutet das?“
„Geh a bisserl scheißen“.
testsiegerin - 26. Okt, 18:43
Mit ausgestreckten Armen stand ich in der Ecke. Auf den ausgestreckten Armen lag die mit Büchern vollgestopfte Schultasche. Die Übung war nicht Teil eines perversen Fitnesstrainings, sondern eine perverse Strafe. So lange müsse ich dort stehen, verlangte die Lehrerin, bis ich mich entschuldigte.
Ich entschuldigte mich nicht, weil ich mir keiner Schuld bewusst war. Irgendwann ging mir die Kraft aus und die Schultasche fiel zu Boden. Zu Hause schimpfte meine Mama, weil eines der Bücher eine abgestoßene Ecke hatte.
Ich weiß nicht mehr, was ich angestellt habe, bestimmt nicht Schlimmes, ich war ein eher braves, vielleicht ein wenig freches Mädchen. Vielleicht lagen ein paar verschimmelte Apfelbutzen in meinem Bankfach.
Was ich damals gelernt habe?
Dass LehrerInnen mehr Macht haben als Kinder. Dass sie manchmal verdammt ungerecht sind und ihre Fehler nicht einsehen. Dass sie von Kindern Entschuldigungen erwarten, sich selbst jedoch nie entschuldigen.
Was ich durch solche Sanktionen sicher nicht gelernt habe: Respekt vor ihnen zu haben.
Mein Bruder kam mit roten Ohren von der Schule nach Hause. Nicht, weil es draußen so kalt war, sondern weil der Lehrer sie ihm eingedreht hat, so weit es ging. Jeder wusste, dass der Lehrer das machte, keiner unternahm etwas dagegen. Was mein Bruder angestellt hat? Keine Ahnung, sicher nichts Schlimmes.
Aus uns beiden sind rechtschaffene Menschen geworden, mehr oder weniger. Eher mehr. Nicht wegen dieser Unterrichtsmethoden, sondern trotzdem. Wegen unseres starken Rückgrats. Weil wir uns durch Muskelkater in den Armen und verbogenen Ohren nicht verbiegen haben lassen.
Einleitung Ende.
Die Lehrergewerkschaft möchte Straf- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Schülern ausweiten, hab ich heute gelesen. Sie hätten ein Recht auf Respekt, aber beim Setzen von Grenzen wären ihnen ebensolche gesetzt.
Natürlich haben sie ein Recht auf Respekt. Jeder und jede hat das. Sogar SchülerInnen.
Liebe LehrerInnen,
Respekt ist nichts einseitiges, sondern ein Geben und Nehmen. Lehrerinnen, die ihre Schülerinnen respektvoll behandeln, schreien nicht nach Sanktionsmöglichkeiten. Irgendwie bin ich total entsetzt. Ich arbeite ja auch in der Sozialbranche, und ich hab unter meinen KlientInnen auch welche, die mitunter schwierig, laut, aggressiv sind. Ihr Verhalten hat Konsequenzen. Wenn sie nicht rechtzeitig aufs Arbeitsamt gehen, wird ihnen die Notstandshilfe gestrichen. Das ist keine Sanktion, sondern eine Konsequenz. So ist das Leben. Wenn sie einen Bankbeamten nach dem anderen wüst beschimpfen, werden sie irgendwann kein Konto mehr haben. Blöd, aber eine Konsequenz, keine Strafe.
Wenn ich mit schwierigen KlientInnen nicht zurechtkomme (und das passiert schon mal) bespreche ich die Situation im Team. Reflektiere, wie ich anders hätte mit der Situation umgehen können. Nehme mir ein paar Stunden Supervision. Besuche Fortbildungen und Kurse, um mich besser zu rüsten.
Das vermisse ich bei den LehrerInnen. Oder ist der Schrei nach mehr Fortbildungsangeboten, nach einer besseren Ausbildung, nach Ideen für einen kreativen Umgang mit Konflikten, einer gelingenden Kommunikation etc. nicht bis an mein schwerhöriges Ohr gedrungen?
Fast 80 Prozent der LehrerInnen fordern mehr Straf- und Sanktionsmöglichkeiten. Und wenn wir schon dabei sind, Eltern, die nur mangelhaft kooperieren, die sollen auch bestraft werden. Sind wir bei der Stasi oder in der Schule?
Einen Gehörschutz hätten sie auch gern, die LehrerInnen, weil es in den Klassen so laut ist.
Aber ich will nicht verallgemeinern. Es gibt auch PädagogInnen, die so spannend unterrichten, dass die Kinder automatisch bei der Sache sind. Es gibt Lehrerinnen, die hängen einen Gong in der Klasse auf, und jedes Kind, dem es zu laut ist, schlägt den Gong. Dadurch senkt sich der Pegel wieder auf ein erträgliches Maß, ganz ohne Eingreifen oder Sanktion der LehrerInnen.
Ah ja. Und Verhaltensnoten möchten sie auch gern wieder einführen. Ja, das hilft bestimmt. Ich erinnere mich, dass ab einem gewissen Alter diejenigen mit den schlechtesten Beurteilungen in Betragen für die anderen die coolsten und mutigsten waren. Die wurden von den Strebern bewundert und angehimmelt.
Mich hat niemand angehimmelt. Dafür war ich dann doch wieder zu brav.
testsiegerin - 16. Okt, 19:53
Augen knurren raubtierhungrig
durch die satte Nacht
Lippen blitzen gierig wie Hyänen
das Feuer längst entfacht
Krallen sehnen und suchen
den willigen Leib
und der keuchende Krieger
kriecht aufs kochende Weib
Körper dampfen auf Tigerfellen
Lust drängt aus der Haut
und beißt sich
ins feuchte Fleisch der Braut
Im Warm und Nass der Höhle
macht sich Seligkeit breit
Ergießt sich im Raum
und verflüchtigt die Zeit
testsiegerin - 11. Okt, 18:55
Runde Frauen wolle niemand sehen, sagt Lagerfeld und verteidigt seine Bulimie- und Anorexie-Models. Die Welt der schönen Kleider habe schließlich mit Träumen und Illusionen zu tun.
Was sind das bitte für Träume? Was ist das für eine Welt, in der schlanke Frauen für fett befunden werden, weil man nicht alle Knochen des menschlichen Skeletts mit freiem Auge erkennen kann? Was ist das für eine Welt, in der sich Mädels mit Kleidergröße 36 zu dick fühlen, weil sie nicht wie Kate Moss und Victoria Beckham aussehen?
Und was ist das für ein Mann, der so einen Scheiß daher redet? Wahrscheinlich einer, der Frauen nicht leiden kann und möchte, dass sie schön langsam so dünn werden, dass sie überhaupt von der Bildfläche verschwinden.
Lieber Herr Lagerfeld, auch ich habe Träume und Illusionen. Mit Magersucht, ausbleibender Periode bei jungen Frauen, Ablehnen von allem, was rund, weiblich, weich, mütterlich ist, mit Knochengerüsten und schweren psychischen Krankheiten haben meine Träume nichts zu tun. Sie haben auch nichts mit Männern mit dunklen Brillen und einem schütteren weißen Zopf zu tun.
Was meine Träume und Illusionen sind, wollen Sie wissen, Herr Lagerfeld?
Nun ja, die Stiefel zum Beispiel, über die ich geschrieben hab (trotz meiner fetten, pardon, trotz meiner trainierten muskulösen Waden passen sie mir nämlich). Ein Urlaub auf West-Samoa, ohne Erdbeben und Tsunami. Einmal so richtig gut essen zu gehen.
Aber das sind Peanuts. In Wahrheit träume ich von einer Welt, in der die Menschen friedlich miteinander leben, Rücksicht nehmen und solidarisch sind, einer Welt, in der nicht ein paar Reiche das Vermögen unter sich aufteilen und die anderen nix zum Fressen haben. Ich träume von einer Welt, in der Frauen es nicht nötig haben, sich aufgrund irgendwelcher Illusionen und perverser Vorgaben von einer Handvoll Modeschöpfer krank zu hungern.
Ich träume von einer Welt, in der Frauen nicht aufgrund ihres Äußeren wertgeschätzt, geliebt und begehrt werden. Ja, auch von einer Welt, in der alte, lispelnde und nuschelnde Männer es nicht notwendig haben, ihr wahres Alter zu verschleiern. Wir verstehen uns, Herr Lagerfeld, nicht wahr?
So ganz nebenbei bemerkt. Ich hab ja die Erfahrung gemacht, dass Männer mit Verstand und Witz mehr auf Frauen mit Verstand und Witz stehen als auf Klappermodels. Aber das können Sie natürlich nicht wissen, Herr Karl.
Danke an die Frauenzeitschrift Brigitte, die beschlossen hat, in Zukunft nur noch „echte“ Frauen und keine Mager- oder Photoshopmodels mehr abzubilden. Und da ist mir völlig egal, ob es eine Sparmaßnahme ist oder darum geht, die Auflage zu steigern. Es ist ein Weg, der in die richtige Richtung geht.
testsiegerin - 11. Okt, 12:11
"Die Nobel-Gang hat gerade einen Selbstmordanschlag auf sich selbst verübt."
So hat Rush Limbaugh (ein Talkshowgastgeber) die Verleihung des Nobelpreises an Barack Obama kommentiert. So ähnlich haben auch die Republikaner mit ihrem zwanghaften Beißreflex reagiert und damit bewiesen, dass konfliktfreie Kommunikation nicht zu ihren Stärken zählt.
Viel zu früh, sagen viele. In der Tat haben sie alle Recht, die Nobelpreisverleihungskritiker - Obama hat bis jetzt nichts Fassbares erreicht. Sein größter Verdienst liegt möglicherweise auch nur darin, einfach das nicht zu tun, was zahlreiche seiner Vorgänger so gern getan haben. Konsequenterweise hätte man den Preis also Obama und Bush gemeinsam verleihen müssen. (Aus dem Standard.at-Forum: „Wenn man einen Koffer wie George W. als Vorgänger hat, dann ist man automatisch eine strahlende Figur der Hoffnung.“)
Viel zu früh?
Willy Brandt hat den Preis 1971 bekommen. Da hatte er auch nicht viel mehr geleistet, als ein bissel in Polen herumzuknien. Die Ostpolitik war damals auch mehr gedacht als getan.
Und auch Bertha von Suttner hat den Friedensnobelpreis hauptsächlich aufgrund ihrer Haltung, ihrer Werte und ihrer Worte ("Die Waffen nieder") bekommen.
Viel zu früh? Wenn man die Hasstiraden gegenüber Obama verfolgt, dann muss man befürchten, dass jeder Tag später „posthum“ sein könnte.
Manche Menschen bevorzugen offensichtlich amerikanische Präsidenten, die mit Schuhen anstatt mit Auszeichnungen beworfen werden. Und bei George Bush wird niemand - nicht mal ein verkappter Kommunist in den Reihen der Nicht-Republikaner - auch nur den leisesten Zweifel daran hegen, dass er sich den Bewurf mit einem Paar dreckiger Latschen als angemessene Würdigung seines Lebenswerkes voll und ganz verdient hatte.
Obama gebührt der Nobelpreis. Weil er den Mut hatte, sich der Wahl zu stellen. Und die Kraft, die republikanischen Zombies aus dem weißen Haus zu vertreiben. Weil er kein zynisches Arschloch ist, sondern den Menschen gibt, was sie am meisten brauchen: Hoffnung.
testsiegerin - 10. Okt, 14:03
"Los, kauf sie dir", sagt meine Kollegin, "sonst sind sie weg."
"Wir haben eh kein Geld", sagt meine Tochter, "beim Deichmann gibts schon welche für 29 Euro".
"Probier sie mal, vielleicht passen sie ja eh nicht", sage ich und probiere.
"Sie schauen verdammt geil aus", sagt die Freundin.
"Ja", sage ich.
"Wann hast du dir die letzten Stiefel gekauft?", fragt die Kollegin.
"Hm. Vor drei Jahren. Die aus Plastik für die Lesungen. Um 29 Euro."
"Und richtige Lederstiefel?"
Ich denke nach. "Ich glaub, noch nie."
"Du arbeitest wie verrückt, machst Überstunden, hältst Vorträge, machst Lesungen. Kauf sie dir, verdammt noch mal."
"Wozu brauchst du eigentlich neue Stiefel?", fragt die Tochter.
"Hm. Ich weiß nicht. Zum Gehen?"
"Ich brauche neue Gartenhandschuhe", sagt der Sohn, "zum Arbeiten".
"Ich eine neue Schultasche", sagt die Tochter, "zum Lernen."
"Denken Sie an Ihr Konto, Frau Lehner", sagt der Bankbeamte in meinem Kopf.
"Denk an dich", sagt die Freundin.
"Mir is wurscht", sagt der Ehemann.
"Ich denk drüber nach", sage ich, "vielleicht entscheide ich mich noch vor dem Frühling."
testsiegerin - 6. Okt, 20:56