Kein Eierlikör. Nur Birnen.
Ich sollte noch schnell eine Weihnachtsgeschichte schreiben, dachte ich heute früh im Bett. Draußen fielen dicke Schneeflocken vom Himmel und alles war still. Fast still, denn die Katzen tappten leise miauend durch den pulvrigen Schnee im Garten, auf der Suche nach Mäuse oder Küchenabfällen.
Ihr glaubt mir wohl jeden Scheiß, oder? Bei plus acht Grad ist Schneefall nämlich relativ selten. Draußen ist es warm, und herinnen ist es auch warm, nicht so wie vorgestern, wo es draußen minus 20 und herinnen plus 10 Grad hatte, weil die Heizung ausgefallen war.
Zurück zur Weihnachtsgeschichte. Ich lag also im Bett, starrte auf den Birnbaum vor dem Schlafzimmerfenster und mir fiel auf, dass die letzte Birne in der vergangenen Woche vom Baumg gefallen sein musste. Ein Zeichen, dachte ich, das ist ein Zeichen, so wie der Stern in der Weihnachtsgeschichte.
Vermutlich ein Zeichen dafür, dass die Zeit reif war. Wofür auch immer. Vermutlich für die Birne.
Soll ich eine berührende Weihnachtsgeschichte schreiben, überlegte ich, beschloss aber, dass es schon zu viele berührende Weihnachtsgeschichten gab. Mit Schnee und Kerzen und Friede, Freude, Eierlikör. Ganzes Jahr verabscheue ich Eierlikör, aber zu Weihnachten liebe ich ihn. Nein. Keine Eierlikörgeschichte jetzt, keine cremige, sahnige (o-ohhh!), gelbe, kalorienreiche Geschichte, nicht jetzt wo ich dreimal die Woche Fett ab- und Muskeln anbaue. Ich kenne aber keine Weihnachtsgeschichte mit Birnen.
Eine zynische Weihnachtsgeschichte? Nicht schon wieder, „Scheiß Weihnachten“ war ohnehin der am häufigst gegoogelte Suchbegriff in meinem Blog. Eine, in der der Fleischermeister Würstel und Cevapcici an den Baum hängte und die türkische, vegetarische Familie zu Besuch kam? Auch nicht, hab ich längst geschrieben. Vielleicht eine böse, in der ein Verleger tot am Baum hängt. Hm. Das halten die meisten Tannenbäume nicht aus, und es ist ein unappetitlicher Anblick für die Kinder.
Ich will ein guter Mensch sein, schoss es mir durch den Kopf und ich blickte auf die fehlende Birne. Dieser Beschluss hatte zwar nichts mit Weihnachten zu tun und auch nichts mit der Birne, aber meine Gedanken spazierten undiszipliniert und ungeordnet durch meinen Kopf. Vielleicht sollte ich nicht nur ehrenamtliche Mitarbeiterinnen schulen, sondern mich selbst irgendwo ehrenamtlich engagieren? Zum Beispiel bei den Soeur Optimiste, den optimistischen, reichen Damen, die anderen Frauen, den Soeur Pessimiste, Gutes tun? Oder ein verhungerndes Kind adoptieren? Beim Gedanken an die verhungernden Kinder fiel mir ein, dass ich noch einen Feldsalat kaufen musste, für die Lachs-Mozarella-Röllchen.
Das mit der Herbergsuche hatte sich ja für dieses Jahr erledigt. Also nicht mit der Suche, sondern mit der Herbergsgabe.
Eigentlich geben wir nämlich ganzes Jahr Herberge und Essen. Allen, die bei uns bei der Tür hereinspazieren. Also fast allen, ausgenommen vom Gaskassier und dem Postler. (Dem gaben wir aber reichlich Birnen, das zählt fast genauso viel).
Als ich vorigen Sonntag aufstand, lag jemand im Wohnzimmer auf dem Sofa, verkrochen unter einer dicken Decke. Jemand, der noch nicht dalag , als wir ins Bett gingen.
Vielleicht Frau Dr. Blubb, mutmaßte ich. Aber die lag im Bett. Und unter ihr das Fräulein Rosi. Der Herr Sohn? Nein, der blätterte in seinem dicken Traktorbuch.
Das Christkind? riet ich und bekam glühende Wangen. Ich hatte das Christkind ja noch nie zu Gesicht bekommen, vielleicht versteckte es sich vor dem ganzen Weihnachtsstress hier bei uns? Und hatte draußen im Schlitten die Geschenke und Gutscheine für das ganze Dorf? "Eine Woche zu früh", begrub mein Mann meine Hoffnungen.
Vor der Tür standen nur unsere eigenen Autos. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichte man unser Dorf nur bis in den späten Nachmittag, und am Wochenende gar nicht.
"Schau mal welche Schuhe im Vorzimmer stehen!", befahl ich meinem Sohn, "und dann bring Weihrauch, Gold und Möhren!" Der Fremde würde doch hoffentlich nicht mitsamt den Schuhen auf der Couch liegen. Nein, denn Jeans, Shirt und Socken hingen feinsäuberlich auf dem Sessel daneben.
„Waldviertler“, sagte mein Sohn und das half uns auch nicht weiter, denn alle unsere Freunde trugen Waldviertler. „Große Frauen- oder kleine Männerschuhe“. Na super.
„Lebt er oder sie eigentlich eh?“ Bitte keine Toten eine Woche vor Weihnachten in meinem Wohnzimmer. Ich schaute genau, hörte zwar nichts, aber die Katze, die auf der Brust des Schläfers lag, bewegte sich langsam auf und ab. „Göttin sei Dank.“
Ich richtete erst mal ein Frühstück her, bestimmt hatte unser Gast Hunger. Es war der Duft des frisch gemahlenen Kaffees, der ein wohliges Stöhnen bei ihm auslöste. „Wasser!“, rief er dann und ich eilte in die Küche.
„Der Michi!“, riefen alle erstaunt und erleichtert, denn der Fremde, der in Wahrheit Freund und nicht Fremder war, hatte sich seit Wochen nicht bei uns blicken lassen, sondern sich in seine Depression verkrochen.
Und dann erzählte er die Geschichte. Die Weihnachtsgeschichte.
Weihnachtsfeier. Kein Eierlikör, sondern Bier und Wodka. Disco. Bis vier Uhr früh. Jacke weg. Schlüssel weg. Handy weg. Taxi zu uns (€ 100,-). „Ihr wart die einzigen, wo ich wusste, ich kann rein und habs warm und krieg was zu essen und kann schlafen.“
Just my two cent for Christmas.
Ihr glaubt mir wohl jeden Scheiß, oder? Bei plus acht Grad ist Schneefall nämlich relativ selten. Draußen ist es warm, und herinnen ist es auch warm, nicht so wie vorgestern, wo es draußen minus 20 und herinnen plus 10 Grad hatte, weil die Heizung ausgefallen war.
Zurück zur Weihnachtsgeschichte. Ich lag also im Bett, starrte auf den Birnbaum vor dem Schlafzimmerfenster und mir fiel auf, dass die letzte Birne in der vergangenen Woche vom Baumg gefallen sein musste. Ein Zeichen, dachte ich, das ist ein Zeichen, so wie der Stern in der Weihnachtsgeschichte.
Vermutlich ein Zeichen dafür, dass die Zeit reif war. Wofür auch immer. Vermutlich für die Birne.
Soll ich eine berührende Weihnachtsgeschichte schreiben, überlegte ich, beschloss aber, dass es schon zu viele berührende Weihnachtsgeschichten gab. Mit Schnee und Kerzen und Friede, Freude, Eierlikör. Ganzes Jahr verabscheue ich Eierlikör, aber zu Weihnachten liebe ich ihn. Nein. Keine Eierlikörgeschichte jetzt, keine cremige, sahnige (o-ohhh!), gelbe, kalorienreiche Geschichte, nicht jetzt wo ich dreimal die Woche Fett ab- und Muskeln anbaue. Ich kenne aber keine Weihnachtsgeschichte mit Birnen.
Eine zynische Weihnachtsgeschichte? Nicht schon wieder, „Scheiß Weihnachten“ war ohnehin der am häufigst gegoogelte Suchbegriff in meinem Blog. Eine, in der der Fleischermeister Würstel und Cevapcici an den Baum hängte und die türkische, vegetarische Familie zu Besuch kam? Auch nicht, hab ich längst geschrieben. Vielleicht eine böse, in der ein Verleger tot am Baum hängt. Hm. Das halten die meisten Tannenbäume nicht aus, und es ist ein unappetitlicher Anblick für die Kinder.
Ich will ein guter Mensch sein, schoss es mir durch den Kopf und ich blickte auf die fehlende Birne. Dieser Beschluss hatte zwar nichts mit Weihnachten zu tun und auch nichts mit der Birne, aber meine Gedanken spazierten undiszipliniert und ungeordnet durch meinen Kopf. Vielleicht sollte ich nicht nur ehrenamtliche Mitarbeiterinnen schulen, sondern mich selbst irgendwo ehrenamtlich engagieren? Zum Beispiel bei den Soeur Optimiste, den optimistischen, reichen Damen, die anderen Frauen, den Soeur Pessimiste, Gutes tun? Oder ein verhungerndes Kind adoptieren? Beim Gedanken an die verhungernden Kinder fiel mir ein, dass ich noch einen Feldsalat kaufen musste, für die Lachs-Mozarella-Röllchen.
Das mit der Herbergsuche hatte sich ja für dieses Jahr erledigt. Also nicht mit der Suche, sondern mit der Herbergsgabe.
Eigentlich geben wir nämlich ganzes Jahr Herberge und Essen. Allen, die bei uns bei der Tür hereinspazieren. Also fast allen, ausgenommen vom Gaskassier und dem Postler. (Dem gaben wir aber reichlich Birnen, das zählt fast genauso viel).
Als ich vorigen Sonntag aufstand, lag jemand im Wohnzimmer auf dem Sofa, verkrochen unter einer dicken Decke. Jemand, der noch nicht dalag , als wir ins Bett gingen.
Vielleicht Frau Dr. Blubb, mutmaßte ich. Aber die lag im Bett. Und unter ihr das Fräulein Rosi. Der Herr Sohn? Nein, der blätterte in seinem dicken Traktorbuch.
Das Christkind? riet ich und bekam glühende Wangen. Ich hatte das Christkind ja noch nie zu Gesicht bekommen, vielleicht versteckte es sich vor dem ganzen Weihnachtsstress hier bei uns? Und hatte draußen im Schlitten die Geschenke und Gutscheine für das ganze Dorf? "Eine Woche zu früh", begrub mein Mann meine Hoffnungen.
Vor der Tür standen nur unsere eigenen Autos. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichte man unser Dorf nur bis in den späten Nachmittag, und am Wochenende gar nicht.
"Schau mal welche Schuhe im Vorzimmer stehen!", befahl ich meinem Sohn, "und dann bring Weihrauch, Gold und Möhren!" Der Fremde würde doch hoffentlich nicht mitsamt den Schuhen auf der Couch liegen. Nein, denn Jeans, Shirt und Socken hingen feinsäuberlich auf dem Sessel daneben.
„Waldviertler“, sagte mein Sohn und das half uns auch nicht weiter, denn alle unsere Freunde trugen Waldviertler. „Große Frauen- oder kleine Männerschuhe“. Na super.
„Lebt er oder sie eigentlich eh?“ Bitte keine Toten eine Woche vor Weihnachten in meinem Wohnzimmer. Ich schaute genau, hörte zwar nichts, aber die Katze, die auf der Brust des Schläfers lag, bewegte sich langsam auf und ab. „Göttin sei Dank.“
Ich richtete erst mal ein Frühstück her, bestimmt hatte unser Gast Hunger. Es war der Duft des frisch gemahlenen Kaffees, der ein wohliges Stöhnen bei ihm auslöste. „Wasser!“, rief er dann und ich eilte in die Küche.
„Der Michi!“, riefen alle erstaunt und erleichtert, denn der Fremde, der in Wahrheit Freund und nicht Fremder war, hatte sich seit Wochen nicht bei uns blicken lassen, sondern sich in seine Depression verkrochen.
Und dann erzählte er die Geschichte. Die Weihnachtsgeschichte.
Weihnachtsfeier. Kein Eierlikör, sondern Bier und Wodka. Disco. Bis vier Uhr früh. Jacke weg. Schlüssel weg. Handy weg. Taxi zu uns (€ 100,-). „Ihr wart die einzigen, wo ich wusste, ich kann rein und habs warm und krieg was zu essen und kann schlafen.“
Just my two cent for Christmas.
testsiegerin - 24. Dez, 11:01
yep
:)))