Vorspiegelung

Ich schaue in den Spiegel und durch ihn hindurch. Ich sehe mich, vor dreißig Jahren.
Fasziniert betrachte ich die Person, die mir entgegenblickt.
Nicht mehr Kind und noch nicht ganz Frau. Große Klappe und großes Herz, aber beides kann man im Spiegel nicht sehen. Ein freches Mädchen sehe ich, mit weiblichen Brüsten und kindlichen Sehnsüchten. Nach der ewigen Liebe, der Leichtigkeit des Seins und dem ersten Sex. Dem, der das Leben verändern wird.

Ich habe mich nicht weiterentwickelt, erkenne ich mit Schrecken. Die Träume und Sehnsüchte sind dieselben geblieben, abgesehen vom ersten Sex.

Ein starkes, schlampiges, stolzes Mädchen sehe ich im Spiegel, eines, das vor Selbstsicherheit strotzt. Ich lächle sie aufmunternd an, denn ich weiß, wie sie sich hinter dieser Schicht, die keine Fassade, sondern Teil von ihr ist, fühlt, wie unsicher und schwach. Ich weiß, dass sie damit hadert, dass die meisten in ihr nur die Starke, die Wilde, die Rebellin sehen und ihr weiches Herz dahinter nicht begreifen.

Eine zornige, nachdenkliche Frau blickt mich an, eine neugierige und schlagfertige Frau, zu deren besten Freunden Bücher gehören. Eine Frau, die das Spiel mit der Sprache liebt.
Eine, die ständig zwischen den Polen pendelt. Zwischen stark und schwach. Laut und leise. Diese Polarität zieht sich an und stößt sich ab, erzeugt Strom und Spannung. Diese Ambivalenz, dieses Hin- und Hergerissensein macht sie natürlich auch spannend, aber das weiß sie nicht. Das weiß nur ich, aus der Distanz.

Eine junge Frau sehe ich, die geliebt werden will. Am liebsten will sie von allen geliebt werden, sogar von denen, die sie selbst nicht liebt. Sie will anders sein und ist es wohl auch. Manchmal heult sie sich in den Schlaf, weil sie anders ist. Und weil es eine Tatsache ist, dass die, die so anders sind als die Anderen, meistens nicht dazugehören. Das aber ist auch so eine dieser verdammten, kindlichen Sehnsüchte. Dazugehören. Nicht um jeden Preis, nein. Nicht um den Preis der Anpassung. Wie diesen Spagat schaffen, fragt die Frau im Spiegel sich Tag für Tag.

Plötzlich merke ich, dass irgendetwas in diesem Blick, der sich mir zurückwirft, anders ist als das Bild in meiner Erinnerung. Da ist mehr Zweifel. Weniger Optimismus. Mehr Abgeklärtheit. Oder mehr Klarheit?
Je genauer ich schaue, umso mehr Unterschiede erkenne ich.

„Warum starrst du mich eigentlich so an?“, fragt meine Tochter, berührt mich und das dünne Glas zwischen uns zerbricht.
Uta-Traveller - 1. Dez, 20:01

eine berührende Geschichte
in der viel Liebe steckt

rauch - 1. Dez, 20:39

die behutsamkeit deiner tochter gegenüber, die empfindsamkeit für die feinen zwischentöne, das lebenslange verteidigen von beidem: bleib dabei.

la-mamma - 2. Dez, 00:08

es ist sehr schön,

dich und deine tochter zu kennen.

walküre - 2. Dez, 10:19

Auch ich sehe mich nicht selten in meiner Tochter, bin aber dann jedesmal froh, wenn ich erkenne, dass sie nicht halb so schüchtern und komplexbeladen ist wie ich es in ihrem Alter war. Sie ist mutig, auch wenn sie dabei manchmal übers Ziel hinausschießt, was aber immer noch deutlich besser ist, als viel zu enge Grenzen aus Mangel an Alternativen zu sprengen.

ot: Ich hab gestern die Mail bekommen und wollte fragen, ob die Uhrzeit 21:30 stimmt; wenn ja, wird sichs bei mir mit ziemlich großer Sicherheit nicht ausgehen ... :-(

testsiegerin - 2. Dez, 12:28

jo. die stimmt. ich hab vorher noch eine lesung in poysdorf, daher so spät. außerdem kommen einige der gäste von einer tagung und möchten noch etwas essen.
datja (Gast) - 3. Dez, 00:13

kränk di ned.
des habts von mir.... ;)

zur erklärung: ich werde immer wieder für mutter und grossmutter gehalten... von fremden menschen...
obwohl weder verwandt noch verschwägert...und eigentlich bissi zu jung dafür...

find ich echt steil!

steppenhund - 3. Dez, 01:12

Als ich anfing zu lesen, ...

hatte ich schon eine Antwort parat. Ich konnte mich mit diesem Blick in die Vergangenheit identifizieren und wollte dich und mich gleichzeitig ermahnen, vielmehr die Zukunft zu betrachten.
Die überraschende Wende bringt eine seltsame Divergenz zustande. Weder mit meinen Töchtern noch mit meinem Sohn könnte ich diese Gedankengänge nachvollziehen.
Mir kommt vor, sie sind alle schon viel weiter, als ich es in ihrem Alter war. (Die Karriere vielleicht ausgenommen, aber gerade das könnte ich als Vorteil für sie gelten lassen.) Sie scheinen viel weniger getrieben zu sein als ich.
Jedes Kind hat soviel von mir, dass es schwer ist, die Vaterschaft verleugnen zu wollen. Und jedes hat soviel mehr durch Frau Columbo.
Ich selbst war und bin im Wesentlichen doch das Kind meines Vaters und bin hier nicht nur ähnlich sondern entwickle mich auch im Alter immer mehr in dessen Richtung.
Meine Kinder haben mehr Herzensbildung, als ich sie wohl je entwickeln kann.
Und jetzt lese ich deine letzten Sätze noch einmal, in denen Du immer mehr Unterschiede erkennst. Sie sind ja offensichtlich auch bei dir vorhanden. Doch ich könnte einen Anfang wie deinen nicht glaubwürdig vermitteln.

schampar (Gast) - 5. Dez, 18:36

@ Steppenhund
als Leser beider Blogs stelle ich fest: du schreibst, sie aber kann schreiben. ;-)

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

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Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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