Splitter bringen Glück?
Radetzkymarsch von Joseph Roth im Schauspielhaus Graz.
Ein grandioses, reduziertes Bühnenbild. Eine grandiose Inszenierung. Tolle Schauspieler.
Immer wenn auf den Gleisen der Rampe langsam eine Bahre auf die Zuschauer zugerollt kommt, ist entweder jemand gestorben oder jemand stirbt gleich. Manchmal legen sich Menschen freiwillig zum Sterben auf die Bahre, weil sie spüren, dass ihre Zeit abgelaufen ist.
Beklemmend. Aufwühlend. Berührend.
Der junge Trotta in seiner Hilflosigkeit, im Wissen, den Ansprüchen des Vaters und des Großvaters (des Helden von Solferino) niemals genügen zu können, in seiner Unfähigkeit Beziehungen zu leben, bemitleidenswert.
Drei Musiker mit stoischen Gesichtern, die ein paar Takte des Radetzkymarschs spielen. Immer wieder. Immer an anderen Stellen der Bühne.
Im Publikum eine Frau mit Hustenanfällen.
Ein Schuss.
Entsetzen.
Stille.
Trotta ist tot.
Die Frau im Publikum lebt.
Zum Glück. Denn die Frau war ich.
*
Graz, am nächsten Tag. Ein kleines Tonstudio. Ein großartiger Text. Unter dem Milchwald, von Dylan Thomas. Ein Hörspiel. Sprachlich phänomenal.
Die Textsiegerin... pardon... die Testsiegerin, die eigentlich nur für eine kleine Rolle vorgesehen war, die Hörspielmacher beim Probelesen jedoch so beeindruckt hat, liest die Hauptrolle (nämlich die Erzählerin). Zwei Großpackungen Emser Pastillen ohne Menthol hat sie in den vergangenen Stunden gelutscht, damit die von den Hustenanfällen der letzten Woche beleidigte Stimme trägt.
Die Testsiegerin liest. Sie lebt. Sie liebt und lebt den Text, und obwohl das Studio für den halben Tag gebucht war, ist der Text nach zwei Stunden eingelesen, der Tontechniker zufrieden, der Hörspielmacher zufrieden und die Testsiegerin zufrieden.
Was ist mit deiner Stimme?, fragen die Kinder am Abend.
Die hab ich in Graz abgegeben.
Graz hat gewählt?
Ja. Mich.
*
Korneuburg, am nächsten Tag. Eine Lesung. Die Testsiegerin entschuldigt sich beim zahlreichen Publikum, dass ihre Stimme nicht wie gewohnt tragen wird. Die Stimme überrascht sie aber wieder. Sie ist aus Graz zurückgekehrt. Und das Publikum liebt die Testsiegerin, die Texte der Testsiegerin und vor allem Herwig Steiner, den Beamten der Bezirkshauptmannschaft.
Die Testsiegerin kehrt mit einem wunderschönen Strauß orangefarbener Rosen nach Hause und sucht nach einer Vase. Sie erzählt der Familie, dass die Stimme zum Glück getragen hat. Vase findet sie keine, aber einen schweren Bierkrug. Die Testsiegerin ist glücklich, zufrieden und im Gleichgewicht.
Das Regalbrett aber verliert im selben Moment die Balance. Dreißig Gläser schlittern auf die Testsiegerin zu, sie schreit (die Stimme hält noch immer), Glas bricht, Gläser brechen, etwa dreißig Gläser brechen. Weingläser, Teegläser, Caipirinhagläser, Wassergläser. Vor allem ein Glas bricht.
Das Proseccoglas mit der Sonne und der Aufschrift "Dolce far niente", das die beste Freundin der Testsiegerin zum Geburtstag geschenkt hat.
Die Testsiegerin verliert das Gleichgewicht und weint. Nicht um die neunundzwanzig Gläser.
Nur um das eine.
Ein grandioses, reduziertes Bühnenbild. Eine grandiose Inszenierung. Tolle Schauspieler.
Immer wenn auf den Gleisen der Rampe langsam eine Bahre auf die Zuschauer zugerollt kommt, ist entweder jemand gestorben oder jemand stirbt gleich. Manchmal legen sich Menschen freiwillig zum Sterben auf die Bahre, weil sie spüren, dass ihre Zeit abgelaufen ist.
Beklemmend. Aufwühlend. Berührend.
Der junge Trotta in seiner Hilflosigkeit, im Wissen, den Ansprüchen des Vaters und des Großvaters (des Helden von Solferino) niemals genügen zu können, in seiner Unfähigkeit Beziehungen zu leben, bemitleidenswert.
Drei Musiker mit stoischen Gesichtern, die ein paar Takte des Radetzkymarschs spielen. Immer wieder. Immer an anderen Stellen der Bühne.
Im Publikum eine Frau mit Hustenanfällen.
Ein Schuss.
Entsetzen.
Stille.
Trotta ist tot.
Die Frau im Publikum lebt.
Zum Glück. Denn die Frau war ich.
Graz, am nächsten Tag. Ein kleines Tonstudio. Ein großartiger Text. Unter dem Milchwald, von Dylan Thomas. Ein Hörspiel. Sprachlich phänomenal.
Die Textsiegerin... pardon... die Testsiegerin, die eigentlich nur für eine kleine Rolle vorgesehen war, die Hörspielmacher beim Probelesen jedoch so beeindruckt hat, liest die Hauptrolle (nämlich die Erzählerin). Zwei Großpackungen Emser Pastillen ohne Menthol hat sie in den vergangenen Stunden gelutscht, damit die von den Hustenanfällen der letzten Woche beleidigte Stimme trägt.
Die Testsiegerin liest. Sie lebt. Sie liebt und lebt den Text, und obwohl das Studio für den halben Tag gebucht war, ist der Text nach zwei Stunden eingelesen, der Tontechniker zufrieden, der Hörspielmacher zufrieden und die Testsiegerin zufrieden.
Was ist mit deiner Stimme?, fragen die Kinder am Abend.
Die hab ich in Graz abgegeben.
Graz hat gewählt?
Ja. Mich.
Korneuburg, am nächsten Tag. Eine Lesung. Die Testsiegerin entschuldigt sich beim zahlreichen Publikum, dass ihre Stimme nicht wie gewohnt tragen wird. Die Stimme überrascht sie aber wieder. Sie ist aus Graz zurückgekehrt. Und das Publikum liebt die Testsiegerin, die Texte der Testsiegerin und vor allem Herwig Steiner, den Beamten der Bezirkshauptmannschaft.
Die Testsiegerin kehrt mit einem wunderschönen Strauß orangefarbener Rosen nach Hause und sucht nach einer Vase. Sie erzählt der Familie, dass die Stimme zum Glück getragen hat. Vase findet sie keine, aber einen schweren Bierkrug. Die Testsiegerin ist glücklich, zufrieden und im Gleichgewicht.
Das Regalbrett aber verliert im selben Moment die Balance. Dreißig Gläser schlittern auf die Testsiegerin zu, sie schreit (die Stimme hält noch immer), Glas bricht, Gläser brechen, etwa dreißig Gläser brechen. Weingläser, Teegläser, Caipirinhagläser, Wassergläser. Vor allem ein Glas bricht.
Das Proseccoglas mit der Sonne und der Aufschrift "Dolce far niente", das die beste Freundin der Testsiegerin zum Geburtstag geschenkt hat.
Die Testsiegerin verliert das Gleichgewicht und weint. Nicht um die neunundzwanzig Gläser.
Nur um das eine.
testsiegerin - 18. Apr, 10:34