Sonntag, 18. Januar 2009

Friends will be friends

Hildegard glaubt an das Glück. Dass das Glück in den 85 Jahren ihres Lebens nur selten an sie geglaubt hat, das tut nichts zur Sache. Weil Hildegard an das Glück glaubt, spielt sie. Nein, nicht im Casino, denn sie verlässt ihr Haus kaum noch, seit ihr Mann gestorben ist. Hildegard spielt per Post und per Internet. Das hat sie sich installieren lassen, damit sie mit ihrem Sohn in Deutschland in Kontakt sein kann. Sie schreibt Mails, surft im Internet, aber hauptsächlich spielt sie. Wenn sie einmal zehn Euro gewinnt, reibt sie sich die Hände. Sie sieht nicht, dass die tausend dubiosen Spielfirmen sich noch mehr die Hände reiben, von ihrem Konto abbuchen, bis nichts mehr drauf ist, Mahnungen verschicken und mit dem Gericht drohen.

Hildegard spielt nicht nur, sie spendet auch. Dem Roten Kreuz, der Feuerwehr, Amnesty, dem Tierschutzverein, der Kirche, Vier Pfoten, dem WWF, irgendwelchen Sekten. Vor kurzem hat sie Katinka, einem russischen Mädchen gespendet, das ihr ein Mail geschickt hat, weil sie im russischen Winter so friert und ihr Ofen kaputt ist. Sogar ein Foto war dabei, von einer jungen Frau und einem kleinen Kind auf dem Sofa. Auch Elena und Vanessa und Natascha frieren und Hildegard lindert ihr Leid, indem sie ein paar Scheine in einen Briefumschlag steckt, für den neuen Ofen und für Brennholz.
Sie füllt Überweisungen aus, unterschreibt Einziehungsaufträge und verschickt Bargeld nach Deutschland, in die Schweiz oder nach Russland. Auch an Licht ins Dunkel spendet sie. Bis sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann und einen Sachwalter bekommt.

Hildegard glaubt nicht nur an Spiel und Glück, sie glaubt auch an das, was sie nicht sehen kann. An das Spirituelle. Und die Spirituellen glauben an Hildegard. Ganz persönliche Briefe schreiben sie ihr, ganz viele, mit Lucida Handwriting.

Liebe Hildegard, schreibt zum Beispiel Rahel, eines von nur drei Karma-Medien der Welt (neben Laetitia de Lavallo und Don Karmonavska) , vor nicht allzulanger Zeit war ich auf einer Reise quer durch Österreich, und zwar ganz in Iher Nähe und bin an dem Haus, in dem Sie wohnen, Hildegard, vorbeigekommen und habe plötzlich und mit großer Stärke und Intensität eine besondere mediale Ahnung gehabt.
Rahel hat etwas Besonderes gespürt und Hildegard einfühlsam mitgeteilt, dass drei Ereignisse auf sie warten, die eine nicht unbedeutende Gefahr für Hildegard sind. Unter anderem wird im Juni eine neue Bekanntschaft zu einer Entscheidung führen, die ihr ganzes materielles Leben für immer zur größten Sorge ihres Lebens machen wird.
Wenn aber Hildegard tut, was Rahel sagt, brauche sie keine Sorge zu haben, denn Rahel wird einen nanelischen Kontakt herstellen, der das ganze Jahr 2009 einen großen Schutz über sie legen wird. Rahel dürfe nur nicht geblockt werden, schreibt sie weiter. Um das zu verhindern, möge Hildegard doch beiligenden Überweisungsschein ausfüllen.

Hildegard hat Rahel schon öfter Geld überwiesen, und sie würde es auch diesmal tun, aber sie ist im Krankenhaus. So hat sie auch den Brief von Chris (nach eigenen Angaben Hellseher – Medium – Parapsychologe – Hypno-Telepath und Fernsehstar) nicht gelesen, geschrieben in Genf, am Donnerstagnachmittag, inklusive Bezugsschein für die hypnotelepathische Tiefenübertragung. Daher hat sie ihren psycho-aktiven Pol nicht positiv aufladen lassen können, zum sagenhaft günstigen Preis von € 60,-. Nix mit dem positiven Lebensfluidum per Hypnotelepathie. Inbegriffen in dem Preis ist sogar eine Persönlichkeitsanalyse, und zu diesem Zweck sollte Hildegard ihre Lieblingsfarbe und eine Zahl zwischen 1 und 22 angeben und ankreuzen, in welchem Bereich sie ihr größtes Problem habe. Gesundheit, Liebe, Geld und Rechtsangelegenheiten stehen zur Wahl. Mit der Liebe hat Hildegard längst abgeschlossen, die Rechtsangelegenheiten erledigt jetzt ihre Sachwalterin, bleiben also die Gesundheit und das Finanzielle.
Schade, dass Hildegard den Brief nicht lesen kann, denn Chris möchte ganz intensiv und dringend, dass Hildegard glücklich ist. Das hat er sogar dreimal unterstrichen und mit vier Rufzeichen versehen.
Chris mag Hildegard sehr, denn seine nächsten Briefe schreibt er am Freitagnachmittag und Dienstagvormittag.

Streng vertraulich hat auch Maria Duval geschrieben, die hat viele gute Nachrichten und sie weiß, dass das Leben von Hildegard am 28. Dezember eine gute Wendung nehmen wird. Seit 26. ist Hildegard im Krankenhaus, und so weiß sie nichts von der guten Wendung und ihr Körper wird immer schwächer. Maria ist auch eine Seherin, und sie sieht große Geldsummen, die greifbar sind. Wahrscheinlich für sich selbst, und Hildegard sollte wissen, dass sie, Maria ihre gute Freundin ist, die von unserem Erfolg überzeugt ist. Sie wird Hildegard – gegen eine kleine Gebühr, versteht sich – Monat für Monat ihre Glückszahlen mitteilen, mit denen sie im Lotto, beim Bingo, beim Pferderennen, im Spielkasino und bei anderen Glücksspielen gewinnen kann. Zehn Seiten lang ist der Brief, und cirka dreiundzwanzig Mal steht da „liebe Hildegard“.

Schön, dass Hildegard so enge und gute Freunde wie Rahel, Chris und Maria hat, die um ihr Wohl besorgt sind und ihr so häufig und ausführlich schreiben.
Schade, dass sie ihren drei guten Freunden nicht mehr zurückschreiben und ihnen Geld schicken kann. Hildegard ist gestern gestorben.


p.s. Weiß jemand, was "nanelischer Kontakt" ist? Google kennt das Wort nicht. Dabei kennt Google ja sonst alles.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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